Hin und wieder bekomme ich Mails, ich hätte ein gutes Gefühl für Farben. So ein Lob freut mich natürlich, und es gibt mir Gelegenheit, nachzudenken: wie kam denn das?

Als Kind liebte ich hauptsächlich schwarz und lila. Familie und Verwandschaft sahen mich am liebsten in allen möglichen Blautönen. Das wurde noch geschürt, da ich vier amerikanische Cousins hatte, deren Klamotten ich allesamt auftragen durfte. So war ich die erste (und über die Jahre die einzige), die schon im Kindergarten mit Levi’s in allen Varianten herumlief. Die heute so teuer bezahlten Chucks trug ich schon als Vierjährige bis in die Grundschulzeit.

Meine Großmutter sah mich am liebsten in Kleidchen und Röckchen, die hätte ich in allen Varianten haben können. Wollte ich aber nicht. Sie wollte unbedingt, dass ich ein Dirndl bekam, und ich sagte: ja, aber nur, wenn es schwarz und lila ist. Da war ich sechs Jahre alt. Tatsächlich, die Dirndlstube hatte eins, und ich hielt auch mein Versprechen. Das schwarze Dirndl mit lila Streublümchen und lila Schürze wurde getragen, bis ich fast 10 Jahre alt war. Mittlerweile war es viel zu kurz geworden, die Ärmel wurden auf halblang gekürzt und in die Taille seitlich schwarze Keile eingesetzt.

Warum schwarz und lila? Ich mochte auch im Gottesdienst (zu dem ich als einzige der Familie ging hingeschickt wurde) am liebsten die liturgischen Tage, an denen Lila getragen wurde (also um die Osterzeit) und den Karfreitag, an dem Lila mit Schwarz getragen wurde mit der kompletten Messe auf Latein.
Ja, meine Kindheit war in vielerlei Hinsicht kein Ponyschlecken, und Psychologen würden damit vielleicht meine Vorliebe für diese Farben erklären.

Das hat sich jedoch mittlerweile geändert.
Früher habe ich gern schwarze Hosen und bunte Oberteile getragen. Vor der Kaffe-Fassett-Ära (diese begann 1985) war das nicht immer im Modefokus, aber danach war alles erlaubt: kühnste Farbkombinationen, wir erinnern uns an die schrillen Achtziger bis in die 90-er.

Exkurs: gerade habe ich mir die online-Fashion-Show von Adidas angesehen; ein Flashback: Ballonseide-„Trainings“-Klamotten im Schnitt und der Farbgebung der 80-er und 90-er. Erst dachte ich, das sei eine Art Zeitdokumentation. Nein, die Kollektion 2021.

Eine Schulung in Farbenlehre bekam ich nicht, während meiner Schulzeit war das kein Thema. Mit Mitte Zwanzig habe ich dann aber verschiedene Bücher über Farbenlehre gelesen: Newton, Goethe, Johannes Itten. Letzterer beschreibt die Farbwirkungen bei bestimmten Farbanteilen im Verhältnis zueinander. Ob mein Farbensehen und -beurteilen sich dadurch geändert hat, weiß ich nicht. Lesen mag bilden, aber nciht zwangsläufig schulen und zu Verhaltensänderungen führen.
Ich kenne Menschen, die haben in ihren Bücherregalen einen Meter Sachbücher über Aufräumen und Zeitstruktur, und ich weiß, sie haben das auch gelesen, sind aber dennoch chaotische Menschen mit Messiehaushalt. Und so bin ich mir auch nicht sicher, wie ich mein Farbempfinden gelernt habe.

Lange Zeit mochte ich dann gar kein Bunt, sondern strickte viel in Unifarben oder Ton-in-Ton, für mich in Grün, Weinrot, Naturfarben, türkis, petrol, etwas Lila.

Und nun? Nun verarbeite ich Farben, die ich durch die Wollspenden bekomme. Was nicht gleich einem Projekt oder einer Technik zugeordnet werden kann, kommt in einen Beutel und wird gesammelt. Nichts wird weggeworfen, es sei denn, Mottenfraß oder unentwirrbare Knoten (oft bei Viscose) verunmöglichen das.

 

 

 

In keinem Fall hätte ich die Knäuel so ausgewählt und zusammengestellt, wie in diesem Projekt. Aus einem Pool von Farben einer Marke wäre das bestimmt nicht die Gruppierung geworden, wie sie im Sammelbeutel zusammenkommt, aus jedem Dorf ein mehrrassiger Köter..

Bei der vorliegenden Decke hieß das Motto: greife in den Beutel mit gemischten Knäueln und mach was draus. Das meiste war Sockenwolle, die ich doppelt nahm, oder Aran, auch etwas Bulky, also recht dickes Garn.
Die Häkeltechnik habe ich von dieser Website übernommen, die Flächen werden ohne Naht gleich angehäkelt, also kein umständliches Zusammennähen.
Das Muster ist ideal für Reste unterschiedlicher Art. Also: sammeln und loslegen, das Parallelogramm-Muster kann man auch in Handstrick oder dem Strickapparat nacharbeiten.

 

 

 

 

Es hieß, ich solle mal wieder etwas Politisches schreiben.
Farben und Politik, was fällt mir da ein? Farbe und Politik? Farben und Parteien? Vermutlich können die meisten Bürger die gängigsten Parteien an ihren Farben erkennen. Die Grünen heißen schon so, und die anderen haben auch ihre Kennfarben. Beispielsweise der markante rote Schriftzug. Na, wer isses?
Manche tarnen allerdings ihre Kennfarbe, beispielsweise Braun durch Blau mit rotem Haken. Die nicht mehr existente Blaue Partei hatte diese braune Grundierung auch.
Neulich wurde ich gerügt, ich können nicht alle rechts-(extremen und radikalen) Parteien in einen Topf schmeißen.
Doch. Kann ich. Tue ich. Menschenverachtung im Allgemeinen, Frauenverachtung im Besonderen, Minderheitenächtung, Antisemitismus, Missachtung des Grundgesetzes und der Menschenrechtskonventionen, polarisierend, manipulierend, wahrheitsfern, weitere Charakteristika sind bekannt. Es ist eine Zumutung, allen rechtextremen Gruppen auch noch unterschiedlich schattierte Brauntöne zuzuordnen. „Bisschen Braun“ ist keine Option. Alles braun, auch wenn man versucht, mit Blau oder anderen Farben zu übertünchen und zu kaschieren, ich erkenne Braun, wenn ich es sehe.

Und ich wurde auch gerügt, ich würde mich über eine „Minderheit“ aufregen. Minderheit? Hier ist eine feine Liste, die alle rechtsextremer Gruppierungen aufzählt, die noch aktiv sind, auch die mit Blau überpinselten. Und heißt es nicht „Wehret den Anfängen?“

Schade, dass die schöne Farbe Braun so herabwürdigende Wertigkeit bekommen hat.

Braun als Farbe ist wunderbar – wie jede Farbe.

 

LanArta

2 Responses

  1. Liebe Michaela!
    Wieder einmal eine wunderbare Decke, die den beschenkten Menschen sehr erfreuen wird! Und toll, daß auch diese Kleinmengen und Reste eine so schöne Verwendung gefunden haben.
    Viele liebe Grüße von Annette

    • Vielen Dank, liebe Annette!
      Ja, das Muster ist dankbar für seltsame Mengenverhältnisse und eigentümliche Farbzusammenstellungen.
      Ich liebe Zickzack, davon habe ich schon viele, und Streifen sind auf Dauer auch eintönig. Obwohl es den Menschen vermutlich wurscht ist, was sie wärmt.
      Liebe Grüße
      Michaela