Liefern lassen oder nicht, das ist hier die Frage

Neulich bekam der Angetraute einen Gutschein für einen Essenslieferdienst, der die Buchstaben l-i-e-f-e-r-n auch im Namen trägt. Das musste getestet werden, und wir beauftragten eine von zwei Gaststätten, die dem Dienst in 5km Umkreis angeschlossen sind. Die Bestellung online war völlig unkompliziert. Obwohl wir einen gekennzeichneten Gutschein hatten, und eine Erschleichung von Nahrung oder sonstigem technisch nicht möglich war, musste jede Menge persönlicher Daten preisgegeben werden, also Daten, die für die Lieferung im engen Sinn nicht nötig sind. Die Schufa-Auskunft hätte noch gefehlt.
Völlig klar, dass Lieferant und der zwischengeschaltete Dienstleister zu ihrer Bezahlung kommen möchten und nicht abgezockt werden wollen. Aber wie soll das bei einem Gutschein möglich sein? Wir haben es ausprobiert und etwas mehr bestellt als der Gutschein hergab. Uiuiui, noch mehr Daten, die es für einen Zahlungsvorgang gar nicht braucht, wurden abgefragt.

Als geübte Datenschützer*innen haben wir das natürlich umgehen können, und binnen der vereinbarten Zeit kam das frisch zubereitete Mahl an. Der Lieferant war überaus freundlich und betonte, man könne gern auch bei ihm direkt bestellen, ohne Zwischenschaltung des Lieferdienstes. Schon klar: die müssen verständlicherweise etwas abdrücken für die Kundenvermittlung.

Und dann kam das Problem: unser Balkontisch, für vier Personen ausgelegt, war fast zu klein für die Mengen von Behältnissen. Nicht, dass wir die halbe Speisekarte bestellt hatten, für 35 € wäre das kaum möglich. Es waren zwei Gerichte, Salat, Beilage und etliche Tüppchen für Soße. Alles aus Alu und mit Plastikdeckel. Unser Ökogewissen schlug bis zum Hals, der Abfall füllte einen halben gelben Sack. Da mir nicht bekannt ist, ob alle den gelben Sack kennen: Es ist ein Kunststoffsack, in dem im Rahmen der lokalen Abfallentsorgung Müll aus Kunststoff, Metall oder Verbundmaterialien abgegeben werden kann. Er ist Teil des Dualen Systems der hiesigen Abfallwirtschaft.
Wenn man bedenkt, dass wir monatlich zwei halb gefüllte Säcke abholen lassen, ist das praktisch der Müll, den wir üblicherweise in 14Tagen erzeugen, einschließlich der von unserer Katze.

Und diese Mengen von Alu! Wem bekannt ist, wie Bauxit zur Aluherstellung abgebaut wird, von Menschen, die mies bezahlt werden und oft davon schwer erkranken, der wird bei klarem Verstand den Aluverbrauch einschränken und nach Alternativen suchen. Unsere Rolle mit Alufolie liegt hier schon seit Jahren und wird kaum benutzt. Aber ob unser Klimaschutzverhalten vorbildlich ist oder nicht, ist hier nicht die Frage.
Fakt ist: während der Corona-Zeit ist diese Form der Essenslieferung stark aufgepoppt, verständlicherweise. Parallel müssen auch die Müllmengen gestiegen sein. Das lachhafte Verbot von Kunststoffverpackungen (Plastiktrinkhalme!) hat nicht etwa dazu geführt, dass Gesetze zur Nutzung klimafreundlicher Verpackungen verstärkt wurden. Das alles wird der Vernunft der Einzelnen überlassen. Und es ist bekannt, wie sich Individual-Egoismus auswirkt.
Fridays for Future? Für mich ist seit 50 Jahren „Every Day for Future“.

Das Lieferantenfutter hat bestätigt, dass es einen guten Grund hatte, noch nie einen Fertigessen-Bringdienst beschäftigt zu haben. Ja, es mag Gründe geben, sich von seiner Bequemlichkeit steuern zu lassen. Und zugegeben: das gelieferte Essen hätten wir so nicht hinbekommen, trotz des Blicks auf den Müllberg konnten wir es gienießen. Dennoch werden wir uns nie ohne Not Essen bestellen und liefern lassen. Vielmehr haben wir auf diesem Weg erkannt, dass es nicht weit von uns ein hervorragendes Restaurant gibt. Da essen wir dann entweder vor Ort oder bringen eigene Behälter mit, wenn wir es zuhause genießen wollen.

Passend zum Thema habe ich für das Baden-Baden-Reef ein Exponat angefertigt. Das Garn habe ich bei den Kleinanzeigen ergattert, vier Knäuel von dieser Farbe, die den Begriff „giftig“ förmlich herausschreit. Sie waren Bestandteil eines größeren Konvoluts. Die fünf – ja wie nennt man die denn? – Quirlis wachsen aus einem Gekröse verhäkelter Plastiktüten. Die Quirlis sind mit der Füllung eines alten, zig Male gewaschenen Kissens befüllt, also eine Recyclingmaßnahme. Aus Kissenfüllung wird Kunst.
Die Plastiktüten: da war in unserem Haushalt fast nichts zu holen, einige Tüten, in denen Wolle verpackt war, eine sich auflösende Folientüte für Biomüll, eine Tüte, in der ein Hemd verkauft wurde.
Das Häkeln verschaffte mir einige Erfahrungen: Gemüsetüten aus dem Supermarkt lassen sich am besten verarbeiten. die Biomüll-Folienbeutel gehen gerade noch so. Am schlimmsten ließen sich Plastiktüten verhäkeln, die als Umverpackung im Verkauf genutzt werden. Diese konnten nur verarbeiter werden, weil ich die in Streifen zerschnittenen Tüten aus einer Schüssel mit Wasser heraus verhäkelte, sonst wären sie nicht über die Nadel geglitten.
Für das Zerschneiden der Tüten in Streifen brauchte ich länger als zum Verhäkeln. Nun hat der Haushalt nur noch Gefrierbeutel für unser Bauernbrot und Mülltüten, sowie sie Hertie-Tüte in meiner Handtasche.

 

 

 

LanArta