Anleitungen lesen: Wie haltet ihr es?
Früher, ja, früher, da war alles einfacher und besser, sagen viele Strickerinnen. Das möchte man meinen. Das „früher“ verlangte einem auch mehr an selbständigem Denken ab, zumindest im Bereich des Handarbeitens.
Die Anleitungen in den Zeitschriften und Büchern waren knapp gehalten: Beschreibung des Modells, Modellskizze mit Maßangaben, Muster, Material, eventuell noch eine Mustergrafik. Die Legende für die Abkürzungen standen irgendwo im Heft, durch die Anwendung prägten sie sich aber schnell ein. Das hat auch gereicht, denn die meisten lernten Stricken und Häkeln im Schulunterricht und konnten die Grundbegriffe und -fertigkeiten.
Hier eine Anleitung von 2008, nicht einmal eine halbe Zeitschriftenseite groß.
Ganz anders heute: erfreulich, dass der Trend zum Stricken und Häkeln weiterhin anhält, jedoch sind die Zugangswege sehr unterschiedlich. Die Großmütter (bei mir die Großtante, meine beiden Omas hassten Stricken) brachten den zumeist Mädchen das Stricken bei. Wo nicht, da griff ab der zweiten Klasse der Handarbeitsunterricht. Heute springt die Freundin, das Wollgeschäft oder oft genug der Rechner ein, der zahllose Workshops oder Videos auf dem bekannten Kanal bereit hält. Eine Diskussion über Anleitungsvideos in einem Kreis versierter Strickerinnen ergab die einstimmige Meinung: 80% der Strick-/Häkelvideos sind entweder grottig oder überflüssig. Darüber habe ich mich schon einige Male ausgelassen, so dass es hier nicht vertieft werden muss. Das bedauerlichste daran ist, das Neulinge oder Ungeübte das gar nicht erkennen können und viel Zeit darin verschwenden, Videoschrott anzuschauen, der null Lerneffekt hat oder frustriert.
Bei den ca. 20% wirklich gut gemachter und didaktisch wertvoller Tutorials profitiert man tatsächlich und kann dem Portfolio seines Könnens einiges hinzufügen. Dafür muss man denjenigen, die sich die Mühe machen und ihr Know-How kostenfrei zur Verfügung stellen, sehr dankbar sein.
Und dann gibt es noch die guten Grundlagenbücher. Ich habe mehrere davon, denn im Vergleich haben alle einen Bereich, den andere nicht haben. Eines der Bücher sollte die Strickerin oder die Häkelfrau aber in jedem Fall im Haus haben. Meine Standardbibel war früher das Buch „Perfekt stricken“ von Hanna Jaacks, heute noch antiquarisch erhältlich, zu kleinem Preis. Hier ist alles, was man wissen muss, kompakt und leicht verständlich zusammengestellt, mit zahlreichem Bildmaterial; damit kam man Jahrzehnte klar und vermisste auch keine Strickfilmchen. Persönlich würde ich die Inhalte als „notwendige Bildung“ bezeichnen, so, wie man auch die Grundlagen fürs Führen eines KFZ benötigt.
Soviel zur Aussage: früher war alles besser. Mag sein, früher waren auch die Lernwege andere, insofern halte ich das nicht für vergleichbar.
Heute nutzen wir vielfach Anleitungen, die online zum Download bereitstehen, käuflich oder kostenlos.
Was mich als versierte Strickerin nervt, sind Einzelanleitungen für Projekte, die in epischer Breite auch noch Grundlagen enthalten. Zugegeben: für die Strickerin, die nicht das Privileg hatte, Stricken bottom-up lernen zu können, ist das natürlich ein feiner Service, und ich bewundere die Geduld der Designerinnen, wirklich jeden Handgriff zu beschreiben. Bei manchen Techniken, beispielsweise bei den verkürzten Reihen, ist das auch nicht überflüssig.
Was mich aufbringt, sind 8-seitige Anleitungen für musterfreie Mützen, um ein Beispiel zu nennen. Und dann auch noch mit briefmarkengroßen fehlbelichteten Fotos, die eher aggressionsfördernd als erläuternd wirken. Auch bei schriftlichen Anleitungen gibt es eine Bandbreite von didaktischen und optischen Mängeln, die einem die Nutzung verleiden können.
Nun kommt die Kardinalfrage: wie verwendet man diese mehrseitigen Anleitungen?
Ich nutzte „früher“, also vor über 20 Jahren, seit es Online-Anleitungen gibt, verschiedene Vorgehensweisen
- alles ausdrucken
- nur das ausdrucken, was notwendig ist
- die wesentlichen Dinge mit Copy & Paste in ein Word-Dokument setzen und dieses ausdrucken.
Letzteres mache ich noch, wenn ich unterwegs bin (Zug, Öffis, Stricktreffen… ) oder beim Häkeln viele Teile mit gleichem Muster herstellen will.
Ausgedruckt werden auch Anleitungen, die ich immer wieder verwenden will (Sockenanleitungen für die Strickmaschine) oder in die ich eigene Notizen hineinschreibe, beispielsweise Umrechnungen für Maße, etc.
Hilfreich sind Ausdrucke ganz klar für Anleitungen, wo jede Reihe und jede Masche verschriftlicht sind und an Muster-Charts gespart wird. Gerade bei angelsächsichen Anleitungen findet man das oft, dadurch werden diese extrem aufgebläht und ich finde auch: sehr oft unübersichtlich. Gute und kluge Designerinnen bieten mittlerweile beides an: Reihe-für-Reihe-Anleitungen und Charts, also Mustergrafiken.
Bei den Mustern, die über viele Seiten gehen und Zeile für Zeile abgearbeitet werden, ist ein Ausdruck fast unabdingbar, damit man die abgearbeiteten Angaben kennzeichnen kann.
Seinerzeit – also vor der Klapprechner-Ära war es nicht gemütlich, vor dem Bildschirm zu sitzen und die Anleitung vom Bürostuhl aus abzuarbeiten. Die klobigen Rechner standen auf dem Fußboden oder auf dem Schreibtisch und konnten nicht einfach ins Wohnzimmer neben die Couch oder zum bequemen Sessel mitgenommen werden.
Beim Ausdrucken ist auch die Frage: reicht es, zwei Seiten auf ein Blatt zu drucken, um Papier zu sparen? Ja, oft reicht es, weil die meisten Designerinnen die Schriftgröße genügend groß auswählen.
Aber dennoch: das Ausdrucken widerstrebt mir, denn das Papier schmeiße ich später weg, die Anleitung ist ja entweder auf dem Rechner, einem USB-Stick, einem externen größeren Speichermedium oder online noch vorhanden.
Viele stricken die Anleitung vom Tablet (habe ich nicht) oder vom Smartphone ab. Eine Zumutung: so ein Minibildschirm winselt geradezu danach, Dinge zu überlesen oder die Übersicht zu verlieren. Oder man fragt sich, wo in der Anleitung man sich gerade befindet.
Das kann einem auch unterlaufen, wenn man vom Bildschirm eines Laptops oder Notebooks strickt. Bitte die Hand heben, wem das noch nie passiert ist. Gerade bei den Anleitungen, die quälend hohe Seitenzahlen haben und möglicherweise auch noch unübersichtlich sind, kann man sich schnell „verscrollen“ oder in der Anleitungszeile vertun.
Die Lösung!
Vielleicht erzähle ich gleich etwas, das der größte Teil der Strickwelt bereits praktiziert, nur ich, die ich mit der Digitalwelt nicht aufgewachsen bin, sondern sie mir interessehalber erschlossen habe, komme daher, „wie die alt Fasnet“, wie man hier sagt, gemeint ist: wie jemand, der endlich auch noch kapiert hat, wo der Frosch die Locken hat.
Mittlerweile drucke ich noch weniger aus, als früher. Die meisten Anleitungen kommen als PDF-Datei daher, und wenn nicht, dann erzeuge ich mir eine. Ich arbeite mit der kostenlosen PDF Xchange Software, die meisten anderen PDF-Programme haben jedoch die gleiche oder ähnliche Ausstattung, mit der man PDFs bearbeiten kann, in der Kauf-Version oft noch viel mehr.
- „Stifte“ zum Markieren
- Verschiedene Farben, die man den Stiften zuweisen kann
- Kästchen zum Einrahmen
- Sprechblasen oder Kommentarboxen
- Markier“stempel“ mit Begriffen wie zB „erledigt“
- Schnappschuss-Funktion für einen ausgewählten Bildschirmbereich
- Kopierfunktion
- Textbearbeitungsfunktionen
- …
Die PDF-Vorlagen sind also genauso bearbeitbar, wie eine Papiervorlage und haben den Vorteil, das man sie mit Tagesdatum versehen im aktuellen Arbeitszustand abspeichern kann. Kein Zettelverlust.
Ich kann beispielsweise in eine Kommentarbox meine verwendete Nadelstärke, mein Garn, meine Maschenprobe einfügen. Oder die abgearbeiteten Reihen oder Anweisungen durchstreichen, unterstreichen und anderweitig kennzeichnen. Oder meinen derzeitigen Arbeitsstand farblich oder mit Symbolen kennzeichnen. Möglich ist auch, bei Schnittzeichnungen die eigenen Maße einzugeben, und vieles mehr.
Vor allem: man kann die Schriftgröße verkleinern und sich damit einen Überblick verschaffen oder die gerade bearbeitete Passage vergrößern. Mit ausreichend vergrößertem Schriftbild kann man den Rechner auf den Tisch stellen und gemütlich auf der Couch sitzen und die Anleitung abarbeiten.
Auf den ersten Blick erscheint das umständlich, aber die Zeit für die Markierungen holt man schnell wieder rein.
Hier ein Schnappschuss von einer bearbeiteten Seite. Natürlich kann eine jede auch andere Kennzeichnungen gemäß ihrer PDF-Software verwenden, so, wie es ihrer Gewohnheit zum Notieren entspricht.
Ich bin begeistert von meiner Idee. Warum ist mir das bloß nicht früher eingefallen?
Ja cool! Ich muss zugeben, dass ich (noch) gar nicht wusste was PDF alles kann Tolle Idee!
Ausdrucken ist immer noch meine bevorzugte Methode, jedoch nervt mich, wenn ich monatelang die Anleitung umeinanderliegen habe.
Hallo, Klara,
eine jede hat ihr Konzept, das zu ihr passt.
Gerade habe ich ein Stück aus 48 verschiedenen Teilstücken beendet, da läuft die Anleitung über 24 Seiten, das ist ein ganz schöner Packen Papier, den man hinterher vermutlich nicht mehr benötigt.
Dann ist das Bearbeiten einer PDF ein wahrer Gewinn.
Grüße in die Schweiz!
Michaela
Ich muss jetzt mal ganz scharf nachdenken, wann ich mal was nach Anleitung gestrickt habe … grübel, grübel.
Ja, da war was: den Revontuli-Schal. Soweit ich mich erinnere, habe ich da eine Seite Grafik ausgedruckt.
Doch – da gab es noch zwei oder drei weitere Lace-Tücher mit ausgedruckten Grafiken.
Und dann war da noch die 7-Segmente-Mütze aus einem Buch, die dann prompt einen durchgängigen kapitalen Fehler enthielt (die Anleitung).
Aber meistens setze ich mich hin, skizziere und rechne und stricke/häkle nach meinem eignen Geschreibsel. Das hat den großen Vorteil, dass ich dann auch verstehe, was ich tue und natürlich die Maschenprobe perfekt passt.
Anleitungen im Netz „lese“ ich meistens eher wie Kochbücher: Zur Inspiration, die ich dann nach Gutdünken in eigenen Kreationen „verkoche“.
Anleitungs-Videos gucke ich nur sehr selten gerne, weil ich meist ziemlich viel Zeit investieren muss, um die eine Stelle zu finden, die mich wirklich interessiert. Manchmal stelle ich dann auch erst am Ende fest, dass das Erwartete oder Gewünschte überhaupt nicht vorkam. Bei geschriebenem Text finde ich die spannenden Stellen viel schneller. (Wobei es schon manche hilfreiche und gute Videos gibt, die anzusehen sich lohnt, aber die Regel ist das für meinen Geschmack eher nicht.)
Viele Grüße und einen schönen Sonntag
Damaris
Vielen Dank für deinen Kommentar, Damaris.
Ja, bei eigenen Anleitungen muss man sich nicht viele Gedanken um die Ausfertigung machen.
Früher habe ich die eigenen Anleitungen nach der Skizzierung auf Altpapier in ein Buch übertragen. Heute mache ich – sofern der Entwurf die Mühe Wert ist und ich nicht ohnehin aus dem Kopf stricke oder häkle – alle in Excel.
Da habe ich mir eine Kästchenvorlage gebastelt und so viele Farben, wie meine Buntstifte nicht hergeben.
Die Parkettdecke habe ich mit Bleistift gezeichnet, das ging einfach schneller, als irgendwelche Formen in Excel zu zeichnen.
Liebe Grüße
Michaela
Da ich weder in der Lage bin etwas in eine Datei zu verarbeiten, das habe ich mir bis heute noch nicht beigebracht, noch habe ich einen Drucker, mache ich das wie früher. Ich nehme ein Stück Papier, Karopapier und zeichne mir Kästchen für Kästchen vom Rechner ab. Da bin ich auch noch auf ein extrem kleines Plätzchen beschränkt. Der Rechner, ziemlich großes Teil, steht in der Küche. Hat sich damals für mich als bester Platz gezeigt, ich konnte in der Küche arbeiten, mich umdrehen und im Hintergrund Informationsvideos angucken.
Da der Platz in der Küche nicht so üppig war, steht der Bildschirm auf einem wunderbar, vom Schreiner gestylten Tischchen, da ist halt nicht viel mehr Platz als wie der Bildschirm, die Tastatur und Lautsprecher benötigen. Darum mache ich das meiste immer noch total altmodisch.
Liebe Waltraud, das ist natürlich fein, wenn man feste Strukturen hat. Das ist bei mir nicht mehr der Fall ich arbeite im Notfall überall. Bei meinen ehrenamtlichen Aufgaben habe ich den Rechner dabei, um etwas nachzuschauen und schreibe auch oft Protokolle direkt vor Ort mit. Ich bin schon gespannt, wie ich das in ein paar Jahren handhabe.
Liebe Grüße
Michaela