Häkeln im Zuckerbäckerstil
Ein Beutel Handgesponnenes war bei einem Schwung Spendenwolle dabei. Proben von verschiedenen Schafrassen, vermischt mit Seide und anderen Fasern. Da hat jemand richtig viel getestet und am Rad gedreht. Es gab entsprechend kleine Knäule und ein paar ungewickelte Stränge in verschiedenen Stärken, insgesamt um die 1300g.
Auf den ersten Blick war damit nicht viel anzufangen. Einzelne Module zu häkeln erschien nicht sinnvoll, diese hätten verschiedene Stärken und vermutlich auch verschiedene Größen ergeben. Auch ein gerades Stück, ggf. kombiniert mit etwas Farbe triggerte meinen Startimpuls nicht. Also: von innen nach außen, und wenn das Garn verarbeitet ist, endet auch die Decke. Aus dem Matelassé-e-book sollte noch einiges angefertigt werden. So gut mir die Moduldecken gefallen, so kitschig fand ich die Babydecken. Ich denke, das ist der Mentalität und dem Einrichtungsstil einer gewissen Generation geschuldet. Im benachbarten Elsass oder Lothringen kann man oft über gewisse Handarbeitstechniken stolpern, aus denen exzessiv Heimdekorationen angefertigt werden, die man bei uns nicht sieht. Es gab dort, wie im Schwarzwald zahlreiche Textilfabriken, deren Produkte aufgrund ihrer Eigenheiten Einzug in die Welt fanden. Das ist jedoch ein Thema für einen anderen Bericht.
Letztlich entschied ich mich doch für eine der Babydecken, die am Ende 115 cm im Durchmesser groß wurde, das Modell benannt nach der Stadt „Lille“. Sie erinnert mich an Hochzeitstorten mit Sahnetupfen und üppigen Buttercreme-Dekorationen, daher der „Zuckerbäcker-Stil“. Das Garn reichte nicht bis zum Ende des Musters, ich leitete den Abschluss so frühzeitig ein, dass es sich fast genau ausging, ein paar Zentimeter in der letzten Runde häkelte ich mit einem Rest Wollweiß.
Erstaunlicherweise finden sich bei Ravelry 235 Werkstücke dieses Musters, in allen möglichen Varianten. Man kann an einigen Projekten erkennen, dass Garn und Muster nicht harmonieren. Manchen ist es ganz gut gelungen, die einzelnen Musterabschnitte in unterschiedlichen Farben zu kombinieren, aber es erschließt sich einem nicht, warum man unbedingt Garne in kurzen Farbabschnitten nimmt oder Farbverläufe, in denen das Muster überhaupt nicht erkennbar ist.
Vielen Decken sieht man auch an: das Garn ist aus anderen Gründen nicht geeignet, die Ränder wellen sich übermäßig, was sich auf den Durchmesser auswirkt. Die Muster hätte man gut anpassen können, indem man die Zunahmen verlangsamt. Ich habe das so gemacht. Es ist nicht das Schlechteste, seine Arbeit zwischendrin einmal auszubreiten und zu überprüfen, ob die Richtung noch stimmt. Manche haben der Wellenbildung entgegengewirkt, indem sie eine kleinere Nadelstärke genommen haben.
Die einzelnen gesponnenen Fasern wiesen unterschiedliche Texturen auf. Manche waren beim Häkeln so hart, dass ich Zweifel hatte, sie seien für eine Kuscheldecke geeignet. Nach dem Waschen mit Waschnüssen war die Decke jedoch so kuschelweich, wie man sich das wünscht.
Die Anleitung ist empfehlenswert, abwechslungsreich und enthält keine Irritationen. Dennoch werde ich vermutlich keine weitere Zuckerbäcker-Decke häkeln, einfach nicht mein Stil. Aber bei einer Spendendecke ist das vermutlich das geringste Manko, die Decke wärmt hervorragend, die Spinnfasern waren teilweise wirklich vom Feinsten.
Liebe Michaela,
das ist zum Anschauen mal wieder der reine Genuss und auch ich bewundere Deine Gabe, zu jedem Garn ein Muster zu finden, das ein Kunstwerk daraus macht und das dann auch so gekonnt umzusetzen.
Sicher wird sich jemand über genau diese Decke sehr freuen – das ist eine feine Sache bei der Deckenspenderei, dass man Wunderschönes machen kann, auch wenn es nicht zum eigenen Stil passt.
Vielen Dank für’s Posten und viele Grüße
Damaris
Liebe Damaris,
danke für deinen Kommentar und das Lob!
Genauso ist es: man kann einfach etwas ausprobieren , und keiner meckert 🙂
Manche Garne müssen erst lagern, bevor sie mir das Muster einflüstern. Macht ja nichts, es ist genügend anderes Garn da.
Grüße und eine gute Woche!
Michaela
Liebe Michaela!
Wie Du doch immer wieder zu Deiner Wolle das passende Muster findest! Ich finde die Decke für ein Baby sehr passend, und die Muster zu häkeln hat bestimmt Freude gemacht.
Viele liebe Grüße von Annette
Danke für das feine Lob, liebe Annette!
Wenn ich Spendenkartons auspacke, denke ich oft: hoffentlich finde ich etwas Passendes für das Garn. Man möchte doch auch den Spendenden die Freude machen, ihr Garn zu verarbeiten. Und bis jetzt gab es noch nichts, was nicht seinen Platz in einer Decke gefunden hätte.
Ausgenommen Garn, das die Motten in Meterstücke zernagt haben. Besonders doof bei Konengarnen, man sieht es ihnen von außen nicht an. Bei einem Konvolut Kauni-Spenden-Garn war das leider auch einmal der Fall, die Insekten haben sich ihre Nester so gebaut, dass man die Schadstellen von außen nicht sah, beim Wickeln gab es dann lauter Miniteilstücke.
Ich habe keine Ahnung, nach welchen Gesichtspunkten die Insekten das Garn auswählen, aber besonders hart schlagen sie bei braun, schwarz und blau zu.
Liebe Grüße
Michaela