Tiefergestochen

Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Dame greife ich den Begriff „tiefergestochenes Patent“ vom Brioche-Beitrag noch einmal auf. Anstelle der Erstellung von Vollpatent mit Umschlägen, die in der Rückreihe zusammen mit der Masche abgestrickt werden, kann das Patentmuster auch das Auflösen einer rechten Masche erfolgen, es geht auch mit linken Maschen, ist jedoch eher unüblich.
Dazu sticht man in die rechte Masche der darunterliegenden Reihe, und strickt nun die tiefergestochene Masche mit dem aufgelösten Faden rechts ab. Das Maschenbild ist identisch mit dem herkömmlichen Vollpatent. Anschaulich wird das hier im Video von Elisabeth Wetsch, der Technikspezialistin im Stricken und Häkeln. Kurz vor der 4. Minute zeigt sie das Vollpatent mit der tiefergestochenen rechten Masche.
Das kann auch auf das Halbpatent übertragen werden, dessen Rückreihe wie gewöhnlich 1M re-1M li gestrickt wird. Im Gegensatz zum Vollpatent ist die Rückseite nicht identisch mit der Vorderseite.

Mit tiefergestochenen Maschen können außerdem schicke Akzente gestrickt werden. Diese tiefergestochenen Maschen gibt es mindestens schon seit der Entstehung der Haushaltsstrickmaschinen, man nennt es Fangpatentmuster oder Fanghenkelmuster, je nach Maschinenfabrikat. Die Fangmasche besteht aus einer Masche, bei der eine oder mehrere Schlaufen nicht abgestrickten Garns auf der Nadel dazu kommen. Die Angelsächsinnen sprechen von tuck stitches.

Bildquelle Hier bildet sich eine Fangmasche an einer Maschinennadel. Auf Bild 3 fängt die Nadel die Masche, strickt sie aber nicht ab. Beim Handstricken ist es der Moment, bei dem die Masche mit einem Umschlag abgehoben wird. In der Folgereihe werden dann beide Schlaufen, also die abgestrickte und der gefangene Faden zusammen abgestrickt.

Diese tuck stitches oder Fangmaschen sind optisch nichts anderes als tiefergestochene Maschen. Wird eine oder mehrere Reihen unter der nächsten zu strickenden Masche eingestochen und die darüberliegende(n) Masche(n) aufgelöst, erhält man einen tuck stitch oder eine Fangmasche. Eine Patentmasche ist demnach eine Fangmasche, sie fängt den nicht gestrickten Faden auf, präziser gesagt: die Nadel tut das.

Die Schnittmenge zwischen Patent und Fangpatent ist die tiefergestochene rechte Masche, auf Englisch knit one below. Mit dieser Technik können wir kleinere Muster entwickeln, die aussehen, wie mehrfarbiges Fair-Isle-Gestrick, jedoch arbeiten wir bequemerweise mit nur einem Faden.

Elisabeth Wetsch hat ein kleines e-Book zusammengestellt, mit dem verschiedene Muster mit tiefergestochenen Maschen erzeugt werden können.

In diesem Beitrag von Interweave wird bildhaft erläutert, wie sich Patentstich, also mit Umschlag abgehoben, und tiefergestochene Maschen unterscheiden. Man kann erkennen, dass die verschiedenen Techniken ein ähnliches Bild erzeugen, das Maschenbild und die Maschenprobe jedoch unterschiedlich sind. Die jeweils linke Seite zeigt die Technik mit Patentmaschen/Brioche, rechts wurde mit tiefergestochenen Maschen gearbeitet.

Bildquelle

In diesem Video von Elisabeth Wetsch wird angeleitet, wie das Längsmaschenmuster mit tiefergestochenen Maschen gearbeitet wird und pfiffige Effekte erzeugt werden können. Was beim Gestrickt beachtet werden muss: es ist viel fülliger als glattrechts Gestricktes und benötigt auch mehr Garn. Der Begriff „Hebemaschenmuster“ trifft es hier nicht ganz, das Muster wird nicht erzeugt, indem Maschen durch abheben nicht abgestrickt werden, sondern im bereits Gestrickten wird durch Tieferstechen eine Masche aufgelöst. Das hat auch die Folge, dass das Gestrick in die Breite geht (wie bei Patent), während sich bei den Hebemaschenmustern das Gestrick in der Regel zusammenzieht.

LanArta

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