Kaufen versus Shoppen
„Ist doch das Gleiche“, sagen viele, die jünger sind als ich, für die meisten Älteren wurde der Begriff „Shoppen“ erst gar nicht in den Sprachgebrauch aufgenommen. Vor der Existenz des Internets hat man hierzulande eher gekauft oder eingekauft. Shoppen ist der Warenerwerb durch Privatpersonen, und beim „Window-Shopping“, also dem Schaufensterbummel, liegt zunächst keine Kaufabsicht zugrunde. Es dient zur Orientierung, welche Produkte gerade angesagt sind, und vielleicht entsteht dabei auch ein Kaufimpuls.
Auch im Internet kann man Window-Shopping betreiben, man muss den bequemen Sessel dazu nicht einmal verlassen. Und die beschafften Waren auch nicht nach Hause tragen. Die Bequemlichkeit kann natürlich auch dazu führen, dass viel mehr gekauft wird als beabsichtigt.
Für mich ist kaufen oder einkaufen mittlerweile das Beschaffen benötigter Dinge, geshoppt wird eher das, bei dem kein unmittelbarer Bedarf zugrunde liegt. Brötchen werden eher nicht geshoppt, obwohl manche Bäckerei – bzw. die Produzenten industrieller Aufbackware – sich mittlerweile „Back-Shop“ nennen. Ein Freund aus dem Ausland staunte über den Begriff, er war der Auffassung, ein Back-Shop biete Produkte rund um den Rücken an. Hier könnte sich eine Abhandlung über Anglizismen anschließen, aber das lassen wir lieber.
Ich gehöre definitiv nicht zu den Shopping-Queens, mir macht schon das Beschaffen notwendiger Dinge keine große Freude. Dass ich beim Einkauf im Supermarkt mit Dingen nach Hause komme, die nicht auf dem Einkaufszettel stehen, kommt so gut wie nie vor, der Einkauf beim Bauern beschränkt sich auf frische Holzofenbackware, Gemüse und Obst der Saison und hausgemachte Teigwaren.
Lange habe ich mich nun gewunden, auf den Punkt zu kommen. Beim Erwerb von Wolle oder Garnen verschwimmen die Grenzen zwischen kaufen und shoppen. Wie jede Strickerin weiß – Stricker dürfen sich mitgemeint fühlen – sind Wolle kaufen und Wolle verarbeiten zwei unterschiedliche Hobbys mit geringer Schnittmenge. Als ich das schon vor Jahrzehnten behauptet habe, erntete ich Unglauben. Aber schon vor der Jahrtausendwende, als man Garne anhand eines Katalogs – mit Fühlproben – , zB von 3Pagen oder Junghans kaufen konnte, häuften sich Garnvorräte bei den Strickerinnen, die nie verarbeitet wurden. Zahlreiche Wohnungsauflösungen fördern Berge zutage.
Ich selbst hielt mich seinerzeit an Wollgeschäfte, profitierte jedoch damals schon von bestellten Garnen anderer, bei denen die Farben nicht passten oder die Garnstärke nicht harmonierte. Sprich: Kaufimpulse führten zum Shoppen.
Heutzutage werden die Shoppingimpulse durch Social Media noch ganz anders gepusht. Ich vermeide absichtlich den Begriff „getriggert“, der sich vielleicht als modern geriert, für mich jedoch im medizinisch-psychiatrisch-psychologischen Sinne (aus der Traumatheorie kommend) ein Auslöser für einen ein Symptom (z. B. Schmerz) ist oder eine Erkrankung auslösen kann.
Wollekäufe sind eher schmerzhaft für den Geldbeutel, lösen aber ansonsten in der Regel ein Wohlgefühl aus. Wenn ich jetzt „Wollgefühl“ schreibe, muss ich wieder 5€ in die Kalauerkasse zahlen.
Und manchmal muss man tatsächlich Wolle kaufen, zB, wenn die Nichte sich zum Geburtstag ein Häkelshirt wünscht. In der Tat gibt es moderne junge Frauen, die Handarbeit schätzen.
Ja, ich habe also Garn gekauft und sogar dem Impuls getrotzt, weiter zu shoppen.
Das Garn ist noch nicht angekommen, daher zeige ich, was ich meiner Nichte vor zwei Jahren häkeln durfte, sogenannte Bralettes. Bralettes sind Bustier-Varianten, die keinerlei formende, pushende oder stützende Eigenschaften haben, sie leben allein vom Schnitt.
Diese Bralettes gab es für meine Nichte.