Beim Verzopfen verzopft
Vergeigen, versemmeln, versaubeuteln, vermasseln, verkorksen, verpatzen, verbaseln, verbocken, verhunzen, verpfuschen, vermurksen und noch eins aus der Fäkalsprache.
Wir wissen, was gemeint ist: irgendetwas ist durch unser Zutun bös‘ schief gegangen.
Und jetzt hat man sich verzopft, beim Verzopfen. Das ist ein Insider.
Beim Zöpfestricken gruppiert man Maschen durch regelmäßigen Standortwechsel auf den Stricknadeln um und erhält dadurch die gefälligen, plastischen Zopfmuster. Man verzopft Maschen, bzw. Maschengruppen dadurch, indem man sie verkreuzt, also die Reihenfolge des Abstrickens der Maschen-(gruppen) verändert.
Strickzöpfe werden nicht geflochten, das Grundprinzip des Verzopfens ist das Verkreuzen. Meistens in regelmäßigen Abständen der Reihenzahlen.
Auf das Verzopfen möchte ich nicht näher eingehen, am Ende des Beitrags habe ich eine feine Zusammenfassung von Ylle über das Wesen und die Erzeugung von Zopfmustern verlinkt.
Was passiert wenn man sich beim Verzopfen verzopft?
Ist das korrigierbar?
Muss alles aufgetrennt werden?
Gibt es Tricks?
Anlass für diese Fragestellung war ein Stricktreffen per Videokonferenz. Eine feine Sache. Bei allen Einschränkungen durch die Corona-Krise können wir froh sein, dass sie nicht vor 20 Jahren stattgefunden hat, sondern in einer Zeit, wo man Präsenztreffen durch Videomeetings substituieren kann.
Zu Beginn der Treffen zeigten wir uns, woran wir gerade arbeiten. Wir halten unsere WIPs vor die Kamera und sehen Fortschritte oder frisch gestartete Projekte. Auf einmal ein Schrei, der Auslöser war diese Ansicht eines aktuellen Gestricks.
Übel verpeilt, und das 12 cm weiter unten. Hätte die Strickerin nicht an unserem Videomeeting teilgenommen, wäre das Missgeschick vermutlich weit später erkannt worden. Die Aussicht, viele Reihen mit 280 Maschen aufzutrennen, kann einem schon die Laune verderben. So eine Situation hat bestimmt eine jede von uns schon im Laufe ihrer Strickerinnenkarriere erlebt.
Was also tun?
Auftrennen – Ribbeln bis zum Fehler
Empfehlenswert beim Auftrennen ist, eine Rettungsleine einzuziehen und bis genau an diese Stelle zu trennen. Die Leine verhindert, dass wir uns zum aktuellen Ärger noch einen zusätzlichen aufbuckeln, beispielsweise Fallmaschen, die mehrere Reihen runtersausen. Dem Faden folgend kann man die Maschen wieder auf die Nadeln nehmen (eine dünnere, dann geht es leichter) und jetzt alles fehlerfrei wieder mit der Originalnadel hoch stricken.
So sieht eine eingezogene Rettungsleine / Lifeline aus
Wie kommt man ums Ribbeln herum?
Notoperation
Ich tendierte zur Chirurgie. Die meisten von uns dürften größere Ehrfurcht vor Menschen haben, die operative Behandlungen bei Krankheiten und Verletzungen vornehmen. Dabei heißt die Übersetzung des Begriffs „Chirurgie“ aus dem Griechischen nichts anderes als Handarbeit, Handwerk, Handwirkung. Der Chirurg ist also ein Handwerker, und als selbsternannte Chirurgin hätte ich den Zopf an der falschen Kreuzung zerschnitten, richtig verkreuzt und im Maschenstich geschlossen. Das habe ich bereits mit Erfolg bewerkstelligt und es geht ziemlich schnell, was mir entgegen kommt. Ich vertüdel meine Zeit ungern mit Fehlerbehebung. Und: no risk – no fun.
Mit der chirurgischen Methode konnte sich keine der übrigen Anwesenden richtig anfreunden, dennoch will ich ein paar Quellen zeigen, wo man den operativen Eingriff am offenen Herz … äh … Zopf sehen kann. Sensible Menschen klicken da bitte nicht.
Die Lösung von we are knitters
Hier der operative Eingriff mit Schereneinsatz
Mimikry
Eine wirklich clevere Vorgehensweise, die mir erst bei der Recherche begegnet ist, zeigt die Tarnung des falsch gekreuzten Zopfes. Klappt vielleicht nicht bei jeder Verkreuzung, aber in einem komplexen Zopfmuster mit vielen unterschiedlichen Verzopfungen fällt das kaum oder überhaupt nicht auf. Der Patzer wird mit Maschenstich überstickt und auf diese Weise verborgen. Das will ich auf jeden Fall an einer Maschenprobe testen.
Das Video offenbart die Vorgehensweise.
Partielles Auftrennen
Auftrennen eines begrenzten Areals? Da ginge bei mir der Puls hoch. Vier Maschen über vier Reihen, das wäre noch in Ordnung. Aber 12 cm tief?
Ingrid Hiddesen zeigt die Vorgehensweise Schritt-für-Schritt in ihrer PDF, die man auch downloaden kann. Ein Blick in ihren Blog „Strickpraxis“ lohnt auch aus anderen Gründen.
Auch Veronika Hug, eine versierte Strick- und Häkeldesignerin bevorzugt die Strategie des teilweisen Ribbelns und demonstriert dies in ihrem Video
Und wie löst unsere Teilnehmerin vom Video-Maschenmeeting das Problem mit der verzopften Verzopfung?
Das Ergebnis kann sich sehen lassen, das Maschenbild wird sich nach dem Waschen von der Umgebung nicht unterscheiden.