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Einerseits … andererseits. Oft haben positive Dinge auch eine Rückseite, die nicht so toll aussieht. Mit dem Beitrag werden gleich noch ein paar Fragen der werten Leserschaft beantwortet und Feststellungen von Strickerinnen beschrieben, die einen Sophie-Digard-Schal befühlen konnten.

Mehrfach wurde gefragt: wie hast du den Spiralenschal zusammengehäkelt? Man sieht das ja kaum. Als “Kitt” habe ich in der Tat kittfarbenes Coast Garn von Holst genommen (selbst gekauft, selbst bezahlt, also keine Werbung: ihr kennt den erforderlichen Unfug). Bis auf 40 cm wurde das Garn komplett verarbeitet.

Die feinen Linien sieht man kaum

 

Auch die Rückseite ist so unauffällig, dass man den Schal beidseitig tragen kann.

Brigitte aus Wien, die bereits in England einmal ein paar Digard-Schals befühlen konnte, stellte fest, dass diese nicht nur teilweise kratzig waren, sondern auch die Fäden schlecht vernäht schienen. Auf die möglichen Ursachen kommen wir noch.

Meine Version sieht auf der Rückseite so aus (klicken vergrößert)

Nach dieser Methode von Blitsy Crafts (Youtube) habe ich die Quadrätchen zusammengefügt und noch einen Rand aus Kettmaschen drumherum gehäkelt.

Erst wollte ich Heidruns Tipp umsetzen, verschieden große Netzreihen um die einzelnen Quadrate zu häkeln, und diese dann zu verbinden. Ich habe es versucht, es sah nicht so toll aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Versuch macht kluch, heißt es ja.

Wie Sophie Digard ihre Fleckchen in Madagaskar zusammenfügen lässt, ist mir nicht bekannt.

Brigitte, die bereits schlampig gearbeitete Schals sehen und anfassen konnte, gibt zu bedenken, der Verkaufspreis stehe in keinem Verhältnis zum Durchschnittseinkommen in Madagaskar. Dankenswerterweise hat sie die entsprechenden Zahlen auch herausgesucht. Die Quellen sind die Länderdaten zum Durchschnittseinkommen, woraus auch die folgende Abbildung stammt.

PlatzLandDurchschnittliches Einkommen
pro Jahr
pro Monat

Wir sehen Madagaskar auf dem letzten Platz und fragen uns, wie es möglich ist, vom Verkaufspreis eines Schals ein Jahr zu leben.

Selbstverständlich dürfen wir nicht eins zu eins davon ausgehen, dass ein Schal diesen Gewinn erzielt.

Darin stecken die Kosten für das Garn, die Färbearbeiten, das Verbringen des Garns zu den Häkelfrauen, das Wiedereinsammeln der fertigen Produkte, Verpackung, Logistik, Vertriebskosten, Versand an die Kunden (Boutiquen, Warenhäuser, Onlineshops, etc. ). Sicher kommen noch Kosten dazu, die mir unbekannt sind.
Dennoch stellt sich die Frage: wie hoch ist der Anteil der Lohnkosten am Produkt? Müssen die Häkelfrauen im Akkord arbeiten oder wird pro Stunde bezahlt? Ich gehe davon aus, es wird nach Stückzahlen entlohnt. Egal wie: schnelles Arbeiten, Druck, dass Teile zum Kunden müssen, vielleicht Ablenkung durch Kinder oder andere Verpflichtungen könnten dazu führen, dass es Werkstücke gibt, die weniger sorgsam gearbeitet sind.

Weiteren Angaben auf dieser Seite entnehme ich, Madagaskar hat die Todesstrafe erst in 2015 abgeschafft.

Wie hoch die Lebenshaltungskosten sind, ist uns auch nicht bekannt, so müssten wir viel weiter forschen, um zu eindeutigen Aussagen zu kommen.

 

1Monaco126.516 €10.543 €
2Liechtenstein83.381 €6.948 €
3Bermuda79.919 €6.660 €
4Schweiz71.311 €5.943 €
5Norwegen67.266 €5.605 €
6Luxemburg62.194 €5.183 €
7Macau58.840 €4.903 €
8Island53.846 €4.487 €
9Vereinigte Staaten von Amerika51.580 €4.298 €
10Irland48.942 €4.079 €
11Dänemark48.880 €4.073 €
12Singapur48.269 €4.022 €
13Schweden46.552 €3.879 €
14Australien45.463 €3.789 €
15Hongkong40.993 €3.416 €
16Niederlande40.878 €3.407 €
17Österreich40.223 €3.352 €
18Finnland39.462 €3.288 €
19Deutschland38.497 €3.208 €
20Kanada37.948 €3.162 €
21Belgien36.992 €3.083 €
22Vereinigtes Königreich35.877 €2.990 €
23Vereinigte Arabische Emirate34.638 €2.886 €
24Neuseeland34.496 €2.875 €
25Japan34.124 €2.844 €
26Frankreich33.611 €2.801 €
27Israel32.991 €2.749 €
28Italien27.459 €2.288 €
29Südkorea25.122 €2.093 €
30Spanien24.059 €2.005 €
31Saudi-Arabien17.775 €1.481 €
32Portugal17.544 €1.462 €
33Tschechien16.075 €1.340 €
34Griechenland16.013 €1.334 €
35Chile12.047 €1.004 €
36Argentinien11.543 €962 €
37Ungarn11.392 €949 €
38Polen11.251 €938 €
39Kroatien11.003 €917 €
40Costa Rica9.773 €814 €
41Türkei9.675 €806 €
42Venezuela9.620 €802 €
43Rumänien8.825 €735 €
44Malaysia8.542 €712 €
45Russland8.170 €681 €
46China7.692 €641 €
47Mexiko7.621 €635 €
48Brasilien7.595 €633 €
49Kasachstan6.984 €582 €
50Bulgarien6.869 €572 €
51Äquatorialguinea6.249 €521 €
52Thailand5.276 €440 €
53Kolumbien5.161 €430 €
54Kuba4.947 €412 €
55Südafrika4.807 €401 €
56Iran4.780 €398 €
57Serbien4.585 €382 €
58Bosnien und Herzegowina4.373 €364 €
59Albanien3.824 €319 €
60Kosovo3.443 €287 €
61Sri Lanka3.399 €283 €
62Philippinen3.240 €270 €
63Indonesien3.134 €261 €
64Ägypten2.664 €222 €
65Marokko2.532 €211 €
66Ukraine2.116 €176 €
67Vietnam1.921 €160 €
68Nigeria1.841 €153 €
69Indien1.611 €134 €
70Pakistan1.399 €117 €
71Syrien1.343 €112 €
72Ghana1.319 €110 €
73Bangladesch1.301 €108 €
74Kenia1.275 €106 €
75Äthiopien655 €55 €
76Afghanistan505 €42 €
77Demokratische Republik Kongo398 €33 €
78Madagaskar354 €30 €

 

Madagaskar zählt zu den 33 Entwicklungsländern, umso erstaunlicher, dass Sophie Digard bereits 1999 gewagt hat, eine Manufaktur aufzubauen, in der mittlerweile über 800 Beschäftigte tätig sind.

Das Online-Magazin United Fashion for Peace setzt sich nach eigenen Angaben für ethische Maßstäbe in der Mode ein und bewertet nach den Gesichtspunkten: Ethik, Nachhaltige Entwicklung, Dialog unter den Kulturen, Demokratie, Gleichheit, Toleranz und friedliches Zusammenleben.

Die Website ist überwiegend auf französisch, was ich zwar gerade noch gebacken bekomme, aber die Leserschaft wäre mit Englisch vermutlich besser bedient.

Unter dem Titel “Die schöne Ethik Madagaskars” wird Sophie Digard ein Artikel gewidmet. Übertragen steht nicht viel Substantielles im Text drin.

“Kunst und Know-how und Handwerkskunst Madagaskars, ein Detail der Schönheit, alles handgefertigt. Motive als Blüten, kleine Samtcabochons, alles aus edlen Materialien im aktuellen Geschmack gefertigt. Geschenkidee für die Feiertage (der Artikel stammt vom Dezember 2013).
Ihre Schals und ihre Taschen sind das Ergebnis der Kreation von Sophie Digard und einer handwerklichen Arbeit von außergewöhnlicher Präzision.” Blahblahblah.

Ich muss offen sagen: von einem Magazin, das sich brüstet, die Artikel seien von Journalisten geschrieben, die vor Ort waren, hätte ich mir mehr erwartet.

Bei DNC Fashion können wir nachlesen, dass SD durch organische Elemente in der Natur ebenso inspiriert wird, wie durch Erinnerungen an ihre Kindheit und Reisen. Manche ihrer Designs erinnern an Gustav Klimt, ich würde noch ergänzen: auch an Paul Klee.

Sie verwendet hauptsächlich australische Merino-Wolle, die sie in Italien spinnen lässt, sowie belgisches Leinen, die sie in mindestens 60 Farbtönen pro Werkstück verarbeitet, indem sie einzelne Fäden auch kombiniert.

Es wird berichtet, dass die traditionelle Handwerkskunst den Frauen ein ordentliches Einkommen beschert, aber auch das textile Erbe der Region bewahrt. Sie sichtet und packt die Sendungen an die einzelnen Shops angeblich auch selbst.

Wenn man berücksichtigt, wie lange manche Färbeprozesse mit Naturfarben dauern und die zwei- bis achtwöchige Häkel-/Stickzeit noch dazu kommen, stecken in einem solchen Werkstück viele Stunden, die mit dem Preis vermutlich gar nicht bezahlt werden. Wahrscheinlich hat die durchschnittliche Käuferin eines Schals auch eine persönliche Schmerzgrenze für das, was sie für Handarbeit aus Naturmaterialien ausgeben will.

In einem Artikel auf dieser Seite wird behauptet, SD gebe tausend Kunstandwerkerinnen auf Madagaskar eine Lebensgrundlage.  Ob dem so ist, kann ich nicht beurteilen, es gäbe den Produkten jedoch einen Fair-Trade-Stempel.

Ich hätte gern einmal ein paar Frauen bei der Arbeit gesehen.

Ungeachtet des großen Informationsdefizits sind die Kreationen von Sophie Digard eine enorme Inspirationsquelle.

Hier noch einige Links

https://www.instagram.com/p/BoZcWXbH-jE/?utm_source=ig_web_copy_link

Und wer noch einige Anregungen braucht, schaut hier

https://www.instagram.com/explore/tags/sophiedigard/

https://www.instagram.com/explore/tags/sophiedigardscarf/

https://www.pinterest.de/marijkebongers/sophie-digard/

Hier noch ein paar Sachen für die Inneneinrichtung

https://le-style-et-la-matiere.blogspot.com/2009/09/sophie-digard-at-maison-et-objet.html

Barbara Hartl hat aus über 2000 Teilen ein Jäckchen angefertigt.

LanArta

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1 Response

  1. Sehr interessanter Artikel, sehr gut recherchiert. Ich bezweifle auch, dass die Frauen in Madagaskar von ihren Handarbeiten leben können, aber es ist zumindest mal ein gesichertes Einkommen und besser als nichts. Du bist eine gute Journalistin, liebe LanArta!

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