Was verbindet Jandl und Digard ?

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Viel o Sophie! Schon als Jugendliche schwärmte ich von der Lyrik Ernst Jandls. Zu meiner großen Freude konnte ich im Jahr 2000, dem Jahr seines Todes,  eine Lesung besuchen, in der er einen Querschnitt seiner Gedichte vortrug.

Eines seiner bekannteren Gedichte ist Ottos Mops, das nicht nur Jung und Alt, sondern bestimmt auch Loriot inspiriert hat, wir erinnern uns an seinen Hund der seine Sprachfähigkeit dokumentieren soll, jedoch aus dem Satz “Otto holt rote Rosen” nur den Buchstaben “O” einigermaßen verständlich herausbringt.

Als 17-Jährige freute ich mich über das Buchgeschenk “Laut und Luise”, aus dem Lyrikband passen besonders die Verse von “viel” besonders zum heute vorgestellten Häkel-Projekt. Das Gedicht besteht lediglich aus sechs Worten ‘o, so, solo, viel, vieh, sophie’. Im Posting über die Wahrscheinlichkeit konnten wir erfahren, wie aus fünf Farben erstaunlich viele Varianten möglich sind. Bei den sechs Worten, die Ernst Jandl verwendet hat, kommen einige doppelt vor, die Möglichkeiten der Anordnung sind ausufernd.

Welchen Sinn Ernst Jandl dem Gedicht geben wollte, soll hier nicht Thema sein. Es ist so vielschichtig, oder auch so schlicht, dass sich ein(e) Jede(r) ihre/seine Interpretation herausnehmen kann. Durch die sich immer wieder neu zusammen geschlossenen Wörter entsteht in nahezu jeder Zeile eine andere Bedeutung des Vorangegangenen.

Da ich vom Verlag keine Antwort bekommen habe, das Gedicht hier abschreiben zu dürfen (ansonsten Copyrightverletzung), verweise ich statt dessen auf diese Webseite, auf der man sich einen Eindruck vom Gedicht verschaffen kann.

Prägnant hebt sich das Wort Philosophie als Sinngehalt heraus, aber auch viel und der Name Sophie. Und damit habe ich den Kreis zum Thema geschlossen. Die Vielfalt der Permutationen aus sechs Worten ist vergleichbar mit der Mannigfaltigkeit der Designs, die Sophie Digard aus schlichten Häkeltechniken heraus holt.

Wenn ich in Strickkreisen von Sophie Digard spreche, ernte ich fragende Blicke. Mag sein, dass diejenigen, die selbst handarbeiten, keinen Bedarf an Designer-Häkelware haben. Oder die Medienabsenz von Sophie Digard macht auch ihre Produkte unsichtbar für die Menschheit, die sich keine Designerwaren leisten können oder wollen. In jedem Fall bieten ihre Entwürfe eine Fülle von Anregungen bei Farbzusammenstellungen und den Arrangements von Häkelfleckchen gleichermaßen.

 

Sophie Digard

 

Bildquelle unbekannt. Source unknown.
Über die Textildesignerin Sophie Digard gibt es erstaunlich wenig Biografisches oder Fotos, die sie selbst abbilden. Sophies Philosphie zeigt sich ganz klar in ihren Entwürfen: Schals. Taschen, Halsschmuck sind ihre Design-Schwerpunkte. Hauptmerkmale sind klitzekleine Fleckchen in vielen Farben, die sich zu einem Ganzen fügen. Manche Muster erinnern an die Bilder der Maler Gustav Klimt oder Paul Klee, und die erstaunliche Farbpalette, deren Töne untereinander gemischt werden, machen jedes Werkstück zu einem nicht-kopierbaren Unikat.

 

 

Ein paar Informationen habe ich zusammengesucht. Da Sophie Digard keine eigene Website hat – zumindest nicht unter ihrem Namen – stammen die Informationen aus zweiter, vielleicht sogar dritter Hand. Ich fand sie häufig auf Shop-Seiten. Es gibt einen Artikel im Magazin “Selvedge” (Ausgabe 66), dessen Inhalt sich hauptsächlich mit Indien befasst, hier wird wohl auch die Arbeit von Sophie Digard umfassend vorgestellt. Das Heft besitze ich jedoch nicht.

Ihr Unternehmen hat sie 1999 in Paris gestartet, wo sie mit dem Färben von Garnen begann. Ihre Designs sind hauptsächlich gehäkelt, aber auch gestickt, seltener gestrickt.

Für einen ersten Eindruck einige Abbildungen

Quelle:
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Sophie Digard sagt selbst über ihre Entwürfe, sie unterlägen keinen Trends oder dem Zeitgeist und sollen die Herzen der Menschen berühren. Wenn man selbst Herz und Seele in die Arbeit läge, würden die Menschen das spüren.

Sie lässt eigene Garne in eigenen Farben färben, vor allem mit natürlichen Färbemitteln, also hauptsächlich Pflanzenfarben. Das sieht man auch an den mattierten, leicht pudrig wirkenden Farben. Diese sind alle untereinander kombinierbar, ohne sich gegenseitig zu stören.
Insbesondere ihre floralen Schals mit Blüten zeigen erstaunliche Kompositionen der unterschiedlichen Farbtöne. In einem Schal kommen mindestens siebzig Farben vor, zum Teil werden mehrere unterschiedliche dünne Fäden zusammen genommen und sorgfältig arrangiert.

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Ihre Werkstücke werden auf Madagaskar angefertigt, von über 800 Frauen, die ihre Designs umsetzen. Dort wird Häkeln seit dem frühen 19. Jahrhundert praktiziert. Jede Häkelfrau hat ihre eigene Handschrift, an einem Schal werden zwei bis acht Wochen gearbeitet. Ihre Garnzusammenstellungen werden von einem Team mit 20 Personen ausgewählt. Dabei kommt Merinowolle, Leinen, Raffia oder sogar Sisal zum Einsatz, die letzten beiden pflanzlichen Rohstoffe kommen aus dem Land selbst. über 230 verschiedene Farben werden eingesetzt.
Wer meine Berechnungen im letzten Beitrag für 40 Farben gelesen hat, kann sich vorstellen, dass kein Projekt dem anderen gleicht, auch wenn es ähnliche Designs sind.
Die Frauen arbeiten in der Nähe ihres Zuhauses, so dass Sophie Digard viel unterwegs ist, um Kontakt zu ihren Mitarbeiterinnen zu halten

 

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Auch für den Film hat Sophie Digard bereits gearbeitet. Im Film Bright Star von Jane Campion trägt die Protagonistin Fanny Brawn eine Art Bettjäckchen im unverkennbaren Stil.

Quelle unbekannt/Source unknown

 

Ich hatte nicht die Geduld, all die vielen Bilder der Sophie-Digard-Designs zusammen zu tragen, aber wer der Faszination der kleinen Fleckchen erlegen ist, kann in diese Sammlung eintauchen oder bei dieser Zusammenstellung (ungesicherte russische Website) stöbern.
Auch mit der Bildersuche der bekannten Suchmaschinen findet man in der Tat Hunderte von Designs.

Neben anderen Shops kann man Digard-Produkte hier erwerben. Dies ist kein Hinweis zu Werbezwecken, sondern eine von vielen Bezugsquellen, die ich selbst nicht frequentiere und von denen ich keinerlei Zuwendung bekomme, weil ich etwas darüber schreibe. Man sieht dort, was ein Schal kosten würde.

 

Meine Umsetzung der Sophie-Phil-o-Sophie

Angesichts dieser vielen Möglichkeiten, die bereits von Sophie Digard umgesetzt wurden, war es nicht einfach, etwas “Eigenes” zu entwickeln, was zwar den Stil Sophie Digards aufnimmt, aber nicht kopiert.

Und ich wollte auch aus dem vorhandenen Material schöpfen, das waren ca. 40 Farbtöne, darunter viel Grau. Ich entschied mich also für diese kleinen Spiralquadrätchen. Die verschiedenen Garne der Firma Holst, die ich mit eigenem Geld gekauft habe, verfügen auch über diesen speziellen pudrigen “Hauch”, bei dem die Farben wunderbar untereinander kombinierbar sind. Ein paar passende Knüddelchen bekam ich von Judith.

 

 

Das sind 130 gehäkelte Quadrätchen, keines doppelt.

 

Den Oktober habe ich durchgehäkelt und kann bestätigen: die 2-8 Wochen pro Schal sind nicht übertrieben. Und das sind Häkelprofis, die für die Sophie nadeln. Zum Glück macht das Muster einen Heidenspaß. Ich hab’s von Youtube, es ist der Spiral Granny Square von Laura Eccleston.

Vernadelt habe ich 211g und 1211m, der Schal ist 29cm breit und 155cm lang.

 

 

 

Das nächste Posting wird das Thema “Digard” noch etwas weiter beleuchten.

Der Schal geht nordwärts. Wenn er nicht als Accessoire gefällt, kann er immer noch als cooler Tischläufer Verwendung finden.

 

 

 

 

LanArta

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4 Responses

    • Wenn jemand über 800 Angestellte hat, die häkeln und sticken, wundert einen, dass in einer Welt, wo doch alles in Sekunden bekannt wird, so wenig Information über diese Designerin existiert.

  1. Man kann es gar nicht oft genug sagen: ein wahres Kunstwerk! Da ist dir ein grossartiges Teil gelungen, dickes Kompliment.