Verkürzte Reihen – automatisch

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Verkürzte oder verlängerte Reihen finden mittlerweile vielfältigen Einsatz beim Handstricken. Jahrzehnte habe ich die verkürzten Reihen bei der Schulterabnahme verwendet oder bei Brustformungen in Vorderteilen. Anfangs kannte ich als Technik nur die Methode mit Umschlägen, so wurde es auch in den Stricklehrbüchern empfohlen. Eine Videodarstellung findet sich beispielsweise hier bei DROPS.
In den 90-ern lernte ich bei einer Zugfahrt die Methode mit der Doppelmasche als Wendemasche kennen und verwendete sie seither, zur Technik kommen wir gleich.

2006/2007 kam man plötzlich beim Sockenstricken von der Käppchenferse ab und die sog. “Bumerangferse” erlebte einen großen Aufschwung. Diese wird mit verkürzten Reihen gearbeitet, und so konnte man dabei eine Entwicklung beobachten.

Zunächst wurde die bekannteste Form mit dem Umschlag praktiziert. Wer locker strickte, erzeugte oft ein unschönes Maschenbild mit Löchern. Dann lernten wir von den Angelsachsen die “wrap and turn”-Technik, bei uns “Wenden mit der Wickelmasche genannt”. Ich verweise anstatt langer Beschreibungen auf dieses Video.

Die Japanerinnen verwendeten auch eine eigene Methode. Ich habe sie ausprobiert und finde, sie erzeugt schöne Übergänge, ist nach meiner Auffassung aber etwas frickelig, aber urteilt selbst.

Nun zu “meiner” Doppelmasche, die ich bereits in den 90-ern von einer Kanadierin, die ich im Zug getroffen habe, lernte und seither anwandte. Immer, wenn ich seither Strickerinnen traf, brachte ich ihnen diese Methode der verkürzten Reihen bei. Mir begegnete niemand, der diese Technik kannte und anwandte, und ich kam mit sehr vielen Strickerinnen weltweit zusammen.

Im Mai 2005 machte ich schließlich einen Kurs bei Strickrausch von Gabriele Kluge in Berlin. Bei der Bildgestaltung müssen massenhaft verkürzte Reihen gestrickt werden. Und man verwendete die Methode mit dem Umschlag. Auf Gabi Kluges alten Bildern kann man erkennen, dass hier noch die Löcher durch das Spannen der Bilder hervortreten.
Ich schlug also vor, meine Methode der Doppelmasche zu verwenden. Nach eingehendem Test stimmte Gabi Kluge zu, und fortan wurde diese Methode angewandt. Durch die Strickrausch-Kurse und die Publikationen kam also die Doppelmasche Mitte 2005 zur Verbreitung und trat ihren Siegeszug um die Welt an. Leider gab es damals den “LanArta-Blog” noch nicht, sonst könnte ich belegen, dass ich die Doppelmasche eingeführt habe. Wer eine Publikation über die Doppelmasche von vor Mai 2005 kennt und auf sie verweisen kann: ich bin gespannt!

Die beste Beschreibung der Doppelmasche als Wendemasche findet sich nach meiner Meinung in Alpis Strickbuch. Wer lieber Bewegtbilder hat, schaut hier.

Die Technik, die im Rest der Welt als “German Shortrows” bekannt ist, trat also von der kleinen LanArta losgetreten ihren Siegeszug in die Strickwelt an, obwohl sie von einer Kanadierin auf der Durchreise in Deutschland übermittelt wurde.

Wie ich die “German Shortrows” angewandt habe, sieht man hier in einem – meinem ersten –  Bild in verkürzten Reihen aus dem Juni 2005.

Wie man sieht: keine Löcher

 

Wer die Maschenbilder der unterschiedlichen Techniken der verkürzten Reihen vergleichen will, kann das in diesem Video, wo man sogar noch einige weitere Methoden zur Verkürzung/Verlängerung der Reihen kennen lernen kann.

Auch die Apparatestrickwelt hat ihre verkürzten Reihen, deren Nutzung man bestimmt von Anbeginn der Heimstricker verankern kann.
Bei den Rundstrick-Apparaten, die teilweise über hundert Jahre alt sind, hat man Fersten und Spitzen mit verkürzten Reihen gearbeitet und tut das auch heute noch. Auch hier kennt man verschiedene Techniken

Den Aufschwung Heimstricker in größerem Stil in gewöhnlichen Haushalten würde in den 50er Jahren ansiedeln. Was man darauf arbeiten konnte, wurde auch gemacht, und natürlich kamen verkürzte Reihen zur Anwendung. Ich greife zwei Techniken heraus: die Verkürzungen, die manuell durch Verlegen des Strickfadens erzeugt werden und jene, die “automatisch” erfolgen. Letztere erzeugen – wer hätte das vermutet? – eine Doppelmasche an der Nadel.

Die Verlegung des Strickfadens, um Löcher zu vermeiden, lernte ich beim Stricken von Socken am Heimstricker. Ebenso, wie beim Handstricken, werden Masche – hier: Nadeln- außer Arbeit genommen, die nicht gestrickt werden sollen. Beim Handstricken geschieht das durch Wenden, wie wir in den obigen Videos sehen konnten.

Am Strickapparat werden Nadeln, die nicht stricken sollen, in die entsprechende Position geschoben, damit der Schlitten sie nicht bearbeitet; man nennt es: die Nadeln werden in Halteposition geschoben, am Schlitten stellt man entsprechend “H” ein, und die Nadeln werden nicht gestrickt. Würde man den Schlitten einfach zurück schieben, in Analogie zum Wenden beim Handstricken, entstünde ein Loch. Das mag gewollt sein, aber in der Regel möchte man das nicht.  Um das Loch zu vermeiden, wird der Faden um die zuletzt außer Arbeit geschobene Nadel gelegt, in diesem Video kann man sehen, wie die Nadeln manuell umwickelt werden, bis die Schräge entstanden ist. Das ist der Inhalt der ersten Hälfte, in der zweiten Hälfte kann man sehen, wie alle Nadeln wieder in Arbeit genommen werden.

Das “automatische” Verkürzen suggeriert, man müsse gar nichts tun, der Apparat handelt selbst. Diesen Zahn muss ich leider ziehen, Handstrickapparate machen gar nichts von selbst, es ist immer Hand anzulegen.
Im Gegensatz zum manuellen Umwickeln der Nadeln wie oben gezeigt erspart die Technik, den Strickfaden in die Hand zu nehmen, in dem man die zu umwickelnde Nadel einfach außer Betrieb schiebt. Man strickt also eine Nadel weniger als erforderlich und schiebt diese außer Arbeit. Dadurch wird sie beim Stricken der nächsten Reihe automatisch umwickelt und diese Nadel hat dann eine Doppelmasche. Diese ist identisch mit der Doppelmasche auf der Handstricknadel.

Ich tat mich schwer, ein geeignetes Video oder eine bebilderte Beschreibung zu finden und zeige daher ein Fragment ab Minute 6:14, bei dem gezeigt wird, wie man erst die Nadel außer Arbeit nimmt und dann strickt.

Ab 6:50min werden die Nadeln wieder in Arbeit genommen und man hat eine Bumerang-Ferse. Übrigens schalte ich den Ton bei den Videos meistens ab. Wenn die Darstellung gut ist, braucht es nicht viele Erläuterungen.

Für diese Decke – die mutmaßlich vorletzte Decke für AMPO auf dem Handstrickapparat wurden noch Garne aus dem Vorrat zusammengestellt, gespendete und eigene. Netto 1510 g wurden verarbeitet, mit den verkürzten Reihen und der automatischen Doppelmasche.

Zusammengefasst:

82 Maschen anschlagen, dann im 4er-Rhythmus verkürzen, an den Rändern  der Streifen 5 Maschen stehen lassen, zum Zusammennähen und für das Anbringen eines Rands.
Es wurden Reste von Sockenwolle und Konen verarbeitet. Die Sockenwolle habe ich doppelt genommen.
Drei Streifen/Paneelemit Keilen (oder Wimpeln) anfertigen, diese im Matratzenstich zusammennähen, Rand nach Belieben.

Dieses Muster – Wimpel einmal von rechts, einmal von links gearbeitet, eignet sich hervorragend für die Kleinstresteverarbeitung.

 

LanArta

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8 Responses

  1. Hallo Michaela, bei Katharina Buss habe ich die Doppelmasche gefunden, da heißt es noch “verkürzte Reihen mit übergezogenen Maschen”. Erste Auflage 1996, mein Buch hat kein konkretes Erscheinungsdatum, ich habe und schätze es aber schon sehr lange.
    Als ich die Bumerangferse Anfang der 2000er Jahre erstmals gestrickt habe, waren die Anleitungen im Internet (z.B. von Schachenmayr) alle schon mit Doppelmasche.

    • Hallo, Irene,

      du hast Recht! Ca. 2009 habe ich eine Ausgabe von Katharina Buss ersteigert. Da habe ich doch gleich nachgesehen. In der Tat: auf der S. 150 wird die Doppelmasche als überzogene Masche dargestellt. Ehrlich gesagt: anhand der Bilder in diesem Buch hätte ich sie nie als solche identifiziert.
      Da ich die Technikl schon kannte, kam ich auch nicht auf die Idee, im Buch nachzusehen.

      Super, vielen Dank für deine Rückmeldung!

      Viele Grüße

      Michaela

  2. Ich muss mal suchen gehen, ob ich nicht in einer alten DDR-Publikation was finde… also ich stricke auch die Doppelmasche so lange ich denken kann. Aber ich weiß nicht, wann es das erste mal war. Bei mir sind alle Versuche mit Umschlägen und so immer fehl geschlagen, das sah immer doof aus.
    Ich kann dich gern am Samstag auf dem Bloggertreffen als “Frau Doppelmasche” ansprechen, wenn du magst 😉

    • Ja, das fände ich toll, wenn sich irgendwo etwas fände. Die Frau Kluge stammt aus Ostberlin oder möglicherweise Brandenburg, aber sie kannte sie nicht.
      Die Umschlagtechnik habe ich besonders beim Abstricken in Runden immer als murksig empfunden.

  3. Sehr interessante Lektion über die Wendemasche bei verkürzten Reihen. Ich stricke seit ich mich an verkürzte Reihen beim Stricken erinnern kann, mit Doppelmasche. Nur weiss ich nicht mehr, wann ich das erste Mal Doppelmaschen beim Wenden gestrickt habe – es war auf jeden Fall vor der Bumerangferse, bzw. waren mir da schon bekannt….

    LG
    Connie

    • Bestimmt gibt es vereinzelt Strickerinnen wie dich, die – woher auch immer – die Doppelmasche kannten und anwendeten. In keiner mir bekannten Strickliteratur vor der Jahrtausendwende habe ich je die Doppelmasche gesehen, immer wurde die Wendemasche mit Umschlag gemacht.
      Mitte/Ende der 80-er nutzte ich auch den Italienischen Anschlag, den damals auch kein Mensch kannte.

  4. Das muß ich sofort ausprobieren.
    Meine verkürzten Reihen sehen nicht immer sehr schick aus.
    Dankeschön.
    Lieben Gruß von
    waltraud