Patchwork einst und jetzt
Vor einem halben Jahrhundert gab es noch keine Suchmaschinen, fast jeder Haushalt hatte ein Lexikon in mehreren Bänden. Ich erbte die 7. Ausgabe von “Meyers Lexikon”, die erste fadengebundene und die letzte, die noch jüdische, bedeutsame Personen vollständig und in nicht inhaltlich verzerrter Form darstellte.
Verwandte schrieben am Lexikon mit, sie waren als Musikprofessoren für die musikalischen Inhalte zuständig. Sie berichteten, sie hatten ab 1929 bereits den Auftrag, alles Jüdische zu verkürzen und wenn möglich wegzulassen. Sie entzogen sich dieser ideologischen Vorgabe, indem sie die Druckfahnen immer in letzter Minute abgaben und die Artikel auf diese Weise einer entstellenden Korrektur entzogen.
Die nachfolgenden Ausgaben waren stark verkürzt, weil die Leipziger Verlagsgebäude durch Zerstörung im Zweiten Weltkrieg der Stichwortsammlung verlustig ging.
Während der Schulzeit unseres Sohnes lagen die Bände immer griffbereit neben oder auf dem Esstisch, bei nahezu jeder Mahlzeit tauchten Fragen auf, bei denen wir mit Unterstützung des Lexikons die Faktenlage erörterten. Bei Referaten oder Hausaufgaben wurde das Kompendium zu Rate gezogen und nicht nur einmal waren Schulkameraden bei uns, um mit Unterstützung der Werke ihre Schulaufgaben anzureichern. Wir hatten auch viel Spaß mit den Bänden, weil wir daraus lustige Artikel vorlasen. Guugelt jemand heutzutage nach spannenden Fundstellen, um sie der Familie beim Abendbrot vorzulesen und darüber gemeinsam zu lachen?
Der Begriff “Patchwork” war im Konversationslexikon nicht zu finden, und sogar der Begriff “Flickendecke” gab nur wenig her.
Patchworkdecken waren Ende der 60-er, Anfang der 70-er Jahre das, was man heute Häkelwerke aus sog. Granny-Squares nennt. Meine Grannys, also Großmütter häkelten seinerzeit definitiv keine Squares.
So sahen die Flecken aus, die wir damals zu Hunderten genadelt und zu allerhand Projekten zusammengefügt haben: Decken, Kissenbezüge, Klamotten.
Auch Promis kleideten sich in Granny Squares; hier habe ich schon einmal Paul Mc Cartney in seiner Weste gezeigt.
Er schien sie gern gemocht zu haben, denn es gibt etliche Abbildungen von ihm in der Weste. Spannend zu wissen wäre: ist sie je versteigert worden oder hat er sie noch?
Links oben: Paul von Henry Grossman, August 1967. Rechts oben: mit John Lennon, der das gleiche Hemd trägt Nächste Reihe links: Paul am Strand, unbekannte Quelle Gleiche Reihe rechts: als Anzugweste getragen, unbekannte Quelle Links: Das dürfte eines der bekannteren Bilder sein Bezugsquelle aller Fotos
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Na? erkennt jemand diesen freundlichen, modisch gekleideten Herrn, der sich in Häkel und Strick für den Playboy abbilden ließ? Das war im März 1972
Es ist Clint Eastwood (Bildquelle)
Die Zeiten ändern sich, die Granny Squares auch. Die 80-er, 90-er und 2000-er waren wenig von Häkelleidenschaft beherrscht, als jedoch die Passion für Granny Squares wieder aufpoppte, zeigten sie sich in vielfältigster Form.
Beispielsweise die African Flowers, mit denen ich schon etliche Projekte bestritten habe
| Die kleinen Propeller |
Die orientalischen Laternchen | Und das Mosaikmuster |
Die Patchfläche für die Pompeia-Decke hat Quadratform, aber durch eine spannende Variante in den letzten beiden Runden ergeben sich beim Zusammenlegen der Flecken unzählige Möglichkeiten der Gestaltung.
Zusammenfassung
Muster | Pompeia (mein Titel) Paloma-Blanket von Julie Yeager Englisch und nur Englisch |
Quelle | Paloma Blanket |
Material | 913 g Sockengarne verschiedener Herkunft |
Nadeln/Apparat | Häkelnadel 4,5 mm |
Größe | 104 cm x 124 cm |
Sonstiges | Den Namen habe ich gewählt, weil die zusammengesetzten Flecken mich an Fliesenbodenbruch in Pompeii erinnern |
Clint Eastwood im Häkelpullunder – ich schmeiß mich weg!! Aber auch abgesehen davon, sehr schöner Beitrag. Nicht nur weil ich das Patchwerkeln auch gerade wieder entdecke …
Liebe Grüße,
Ute
Danke für deinen Kommentar, Ute! Ja, vor allem ist Clints Häkelwerk in den typischen Farben der 70er.
Oh, das ist ja eine schöne Erinnerung!
Die Ausgabe aus dem vorvorigen Jahrhundert würde ich auch gerne mal in Augenschein nehmen.
Unsere Ausgabe hat auch Farbtafeln drin. Absolut faszinierend: die Käfer 🙂
Das war bei uns auch so mit dem Lexikon griffbereit beim Abendbrot… allerdings hatten wir eine Ausgabe von Anfang der 90er. (da steht auch Patchwork drin!)
Meine Eltern haben aber eine Ausgabe vom Meyers, die noch eine 18 stehen hat am Anfang des Ausgabe-Jahres. Das ist auch schon wieder Kult, darin zu lesen!