“Gutedel …

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… ist die Kompression von gut und edel”.

Dieser mechanistisch anmutende Vers stammt von einem Heimatdichter aus dem Kandertal, im Hauptberuf Landwirt und Landschaftspfleger. Auf seinen einsamen Stunden in Wald und Feld hat er nebenbei Gedichte aus Alltag und Heimat verfasst, die in einem Bändchen gesammelt wurden, das man bei allen Eheschließungen auf dem Standesamt in Kandern dem Paar überreichte. Ähnlich wie “mein Kampf” während der Nazizeit.

Mit dem Gedichtband haben wir einmal einen vergnüglichen Abend bei Gutedel verbracht, manche Verse waren tatsächlich nur mit dem entsprechenden Getränk zu ertragen. Gutedel, was ist das überhaupt? Es handelt sich um eine Rebsorte, die nur im Markgräflerland und in wenigen Gebieten am Alpenrand der Schweiz zu Wein verarbeitet wird. Exzellentem Wein, wohlgemerkt, der vom vorvorigen Papst als Messwein und von Bill Clinton zu Tische gereicht wurde. Zugegeben: das mögen keine repräsentativen Weinkenner sein, aber sie wussten, was gut (und edel) ist: der Gutedel ist ein ehrlicher Weißwein, der nicht verpanscht oder anderweitig angereichert wird.

Seltsamerweise kennen nicht einmal ausgebildete Winzer über die Region hinaus diese Sorte.
Im letzten Herbst sprach ich mit einer Durbacher Winzerin über Weine und lobte den Gutedel, den hier praktisch jeder Winzer anbaut. Alle Weinbauern haben ein Fass für den Eigenbedarf und für die örtliche Gastronomie. Durbach ist ebenfalls ein bekanntes Weinbaugebiet mit hervorragenden Tropfen. Durbacher würde ich jedem Moselwein (und Württemberger sowieso) vorziehen. Da hätte ich schon erwartet, dass man die Weine, die gerade mal 100km südlich angebaut werden, auch kennt.

Ja, was ist denn so besonders an der Gutedeltraube? Hier bei LanArta bekommt die werte Leserschaft Informationen die weder Guugel noch Wikipedia bereit halten.

https://s14-eu5.startpage.com/cgi-bin/serveimage?url=https:%2F%2Femmi-reitter.de%2Fwp-content%2Fuploads%2F020001221-markgraefler-qba-gutedel-weisswein-markgraeflerland.jpg&sp=4f39f3b71cd39415aa8413697d5c54cc

Die Gutedelrebe stammt aus dem Orient, vermutlich aus Ägypten oder dem Jordantal, man ist sich da nicht sicher. Warum aber wächst der Gutedel jedoch nur hier und in der Westschweiz, wo er Chasselas oder Fendant genannt wird? In der Schweiz kennt man den Namen “Gutedel” gar nicht.
Jetzt kommt die Herkunft ins Spiel: der Gutedel benötigt warme Tage und kalte Nächte, also einen deutlichen Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht. Das kann nur in der Vorbergzone mit Fallwinden aus höheren Lagen um mindestens 800m Höhe gewährleistet werden. In den Regionen, wo der Gutedel gedeiht, kommen nachts kühle Winde aus dem Berg in die Täler, daher kann beispielsweise im Kaiserstuhl kein Gutedel gedeihen, es hat keine Gebirge, von denen kühler Wind ins Anbaugebiet weht.

Eine zweite Besonderheit der Gutedeltraube, die es in grüner und roter Schale gibt, ist die Essbarkeit. Wenn ich lese “in der Obstschale lagen Weintrauben” denke ich mir: so ein Schwachsinn. Weintrauben würde niemand mit Verstand essen. Diese sind oft sauer-bitter, haben große Kerne und eine dicke Schale. Die letzten beiden Komponenten geben dem Wein sein Aussehen und vor allem dem Geschmack – neben dem Anbauboden natürlich.

Tafeltrauben, die dann tatsächlich in der Obstschale liegen, würde kein Winzer für Wein verwenden. Die Tafeltrauben haben gefälligst dünne Schalen und kleine Kerne zu haben, wenn sie dem Kundengeschmack behagen wollen, daraus gewonnener Wein würde nicht einmal als Traubensaft taugen. Tafeltrauben sind – auch wenn es sie in verschiedenen Geschmacksrichtungen und Sorten gibt – ziemlich charakterlos, daher für die Weingewinnung ungeeignet.

Die Gutedeltraube schafft das Kunststück, sowohl Wein- als auch Tafeltraube zu sein. Dünne Schale in hell oder rot (der Wein sieht dann golden aus) und winzige Kerne, die beim Essen nicht stören. Im Markgräflerland werden im Herbst Traubenkuren angeboten, die der Verdauung in die Gänge helfen sollen.

Und genau jetzt ist Gutedelzeit: der Gutedel korrespondiert hervorragend mit dem Spargel, über den ich hier berichtet habe.

Die Kompression aus heimischem Spargel kombiniert mit Gutedel wäre demnach eine paradisische Mahlzeit.

Alljährlich findet außerdem die Verleihung des Markgräfler Gutedelpreises statt. Hierbei geht es nicht um Weinprämierung, sondern die Verleihung geht am Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen “für öffentlich wirksamen, kreativen Eigensinn“.

In diesem Jahr ist Alice Schwarzer die mit dem Preis ausgezeichnete Person und bekommt ein 225-Liter-Fass Markgräfler Gutedel. Sie war bei der Preisverleihung anwesend.

Mein derzeitiges Projekt wird eine Häkeldecke aus lettischer Klinta-Wolle. Ein Garn, wie ich es mag: Textur und 100% Wolle. Die ungefärbte Variante ist rustikaler als die gefärbte. Das Garn selbst ist weicher als Shetland-Wolle, ich bin gespannt, wie es sich nach dem Waschen anfühlt, und ob das Garn noch aufplüscht.

Da ich ein Sonderangebot gekauft habe, wählte ich eine gewisse Menge grau-natur und ein paar Farben. Die Farben sind bis auf Ausnahmen sehr intensiv gefärbt. Sollte ich etwas zum Anziehen daraus stricken wollen, würde ich dezentere Einfärbungen bevorzugen.

Die Decke wird dann sozusagen eine Klinta-Farbkarte.

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LanArta

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2 Responses

  1. So schlimm ist der Württemberger Wein aber nicht 🙂 Ich bin im Schatten der Katzenbeisserlage aufgewachsen,  wir haben die Trollinger und Schwarzrieslingtrauben auch gegessen – allerdings muss man auch aufpassen, den die Weintrauben “verderben” auch deutlich schneller als Tafeltrauben.

    Den Gutedel kenne ich , dass er in der Westschweiz Fendant oder Chasselas heisst, wusste ich noch nicht, und werde jetzt mal danach Ausschau halten.

     

     

    • Hallo, Conny,
      du hast Recht: so schlimm ist der Württemberger nicht.
      Man ist als Markgräflerin in 15km vom Kaiserstuhl entfernt nur sehr verwöhnt und versnobt.
      Allerdings habe ich auch schon Wein von der Unstrut getrunken, der zwar keinen Tiefgang hatte, aber sehr gut ausgebaut ist. Ohne Schnörkel und Kunstgedrechsel.
      Überhaupt soll eine jede den Wein trinken, der mundet, unabhängig von der Qualität.
      Obwohl die Weine von hier zu den besten gehören, trinke ich französischen oder italienischen Roten viel lieber.
      Viele Grüße
      Michaela

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