Kaskaden aus Patentmaschen
Wer sich mal richtig die Kante mit Patentmuster geben und gleichzeitig scheinbar inkompatible Garne verbrauchen möchte, nimmt sich des beidseitigen Mammutprojekts Briochevron Blanket von Stephen West an. Langeweile kommt kaum auf, denn man kann die Farbwechsel steuern, wie man Garn zur Verfügung hat.
Jetzt wollte ich das im März begonnene Projekt abschließen und saß daher an warmen Sommerabenden mit Temperaturen zwischen 25 und 29 Grad an den letzten 20 Zentimetern. Es bewahrheitete sich einmal mehr: Wolle schützt gleichermaßen vor Kälte wie vor Wärme, sprich: das Material ist temperaturausgleichend, und ich habe weniger geschwitzt als befürchtet. Also: die Grundtranspirationsmenge hat sich nicht wesentlich erhöht.
Es handelt sich beim Muster nicht um einfaches einfarbiges Patent, sondern um zweifarbiges. Die Technik ist simpel:
- die erste Reihe wird mit Farbe 1 gestrickt: 1 M re, 1 M wie zum Linksstricken mit Umschlag abheben. Wenn die Reihe beendet, werden die Maschen zurück auf Anfang geschoben. Nicht wenden!
- Dann kommt Farbe 2 zum Einsatz, damit werden die Einzelmaschen wie üblich abgehoben, die Maschen und der Umschlag zusammen links abgestrickt
- Nun wenden und das Gleiche mit Farbe 1, Maschen zurückschieben
- Der Zyklus ist zuende mit Reihe 4, die mit Farbe 2 wie die erste Reihe gestrickt wird
Diese vier Reihen bilden das Muster für zwei Farben, jeweils mit Hin- und Rückreihe. Dabei erscheint die Farbe 1 auf der Vorderseite als rippenbildende obenauf liegende Rechtsmasche, Farbe 2 ist invers auf der Rückseite die obenauf liegende Rechtsmasche. Damit kann man prima Effekte erzeugen.
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Wie das Zweifarbige Patentmuster angefertigt wird, kann man hier im Video sehen. Ich schätze Elisabeth Wetschs Strick-Lehrvideos außerordentlich, sie fallen in das ca. 20%ige Kontingent der brauchbaren Strickvideos auf Youtube. Die restlichen 80% sind eine Zumutung und grottig, und zwar sowohl in inhaltlicher als auch in formaler Hinsicht (schlechtes Licht, wacklige Darstellung, unverständliches Genuschel, falsche Perspektive, Kamera zu weit weg, wesentliche Details kann man nicht sehen, Hände verdecken die Abläufe, und dergleichen mehr).
Bei diesem Video vermisse ich ein Ergebnisbild als Einleitung, nicht eine jede weiß im Vorfeld, wie zweifarbiges Patent aussehen soll. Das wäre das Sahnehäubchen auf dem hilfreichen Inhalt.
Wie einleitend erwähnt, habe ich vorhandenes Material genutzt. Interessehalber bin ich einmal auf die Webseiten der von Stephen West vorgeschlagenen Garne gegangen, um den Anschaffungspreis des Materials zu ermitteln. Verwendet man das Garn von Hedgehog Fibres, ist man bei einer Verbrauchsmenge von 4300 Metern mit ca. 540 € dabei.
Um 500 € kommt man mit Madeline Tosh. Nichts gegen diese feinen Wöllchen, ich freue mir immer ein Loch in den Bauch, wenn ich einen oder mehrere Stränge dieser edlen Garne geschenkt bekomme.
Und bei dieser Decke konnte ich auch zum großen Teil geschenktes Garn von Renate verarbeiten. Darunter alte nicht mehr erhältliche ROWAN-Schurwollen und andere Qualitäten auf Konen. Das Garn auf der anderen Seite, das sich von Gelb nach Rost nach Gelb bewegt, war 1992 ein Geschenk an meine verstorbene Schwiegertante. Als ich sie eines Tages fragte, was denn aus dem Garn geworden sei, meinte sie verlegen, sie fände die fast fertig gestrickten Teile nicht mehr. Ich fand die Tüte dann nach ihrem Tod hinter eine Kommode gerutscht. Leider war das im Farbverlauf gewickelte Venne-Garn bestehend aus verschiedenen Qualitäten jahrelang ein Leckerbissen für die Motten. Man sah das an den gestrickten Teilen fast gar nicht, aber das aufgetrennte Garn zeigte schwere Schäden, teilweise alle 2 Meter. Ich verwendete es unter Mühen dennoch und versuchte, den Mottenfraß heraus zu operieren.
Insgesamt habe ich ca.1700 g verbraucht und fast 5500m abgespult.
Meine Decke war vor dem Waschen 225 cm x 115cm groß, nach der 30-Grad-Wäsche im Wollwaschgang auf 250cm x 130cm gewachsen. Das Schurwollgarn von ROWAN ist dabei leicht angefilzt, was mir sehr Recht war, da es das Gewebe etwas verdichtet und stabilisiert hat. Vielleicht würde eine weitere Wäsche das Gewebe noch mehr optimieren.
Da ich nicht die gleiche Maschenprobe wie Stephen West hatte, nahm ich eine Nadelstärke weniger, also 4,5mm statt 5mm. 4mm hätten das Gestrick noch etwas mehr verdichtet, die dickeren Garne wären dann aber schwerer zu verarbeiten gewesen. Die Nadel – eine uralte Alunadel – habe ich nach Beendigung der Decke weggeworfen, am Übergang von Nadel zu Nylonseil trat bereits ein Bruch auf, an dem die Wolle immer hängen blieb.
Ich schlug Maschen für einen Rapport mehr an. Die Anleitung (englisch) ist sehr gut beschrieben, in der wohltuenden Kürze, wie ich sie liebe. Ich hatte keinerlei Probleme mit der Einteilung der Rapporte, wie häufiger in den Projekten bei Ravelry beschrieben war. Überhaupt sieht man dort auch, dass viele angefangene Decken wohl auf der Strecke geblieben sind, nur vier von 69 sind als „finished“ gekennzeichnet. Angesichts der tollen Bilder angefangener Decken hoffe ich, dass diese in ihrer Pracht zuende gestrickt werden.
Als Tipp schlage ich vor, dass man in den ersten 8-10 Reihen Marker zwischen die Rapporte setzt, bis man das Prinzip verstanden hat und das Muster einem automatisch von der Hand geht. Die vielen Farbwechsel machen das Projekt abwechslungsreich, die Fäden sollten immer mal wieder zwischendrin vernäht werden. Ich habe sie unsichtbar in der mitgestrickten Rollkante versteckt.
Hier dann nochmal als Kaskaden