Fersen? Kann ich!

Jedes Jahr an Pfingsten treffen sich Besitzer*innen sogenannter Rundstrickapparate, auf englisch Circular Sockknitting Machines. 2016 durften wir die Räumlichkeiten des Maschenmuseums in Albstadt mit Beschlag belegen. Das Maschenmuseum wurde von einer Arbeitsgemeinschaft in liebevoller Detailarbeit innerhalb von 20 Jahren aufgebaut und zu einem Kleinod entwickelt. Die gesamte Textilindustrie der Alb wird dort aufgefächert in historischer Darstellung, und man kann Wirkmaschinen von „damals“ bis in die Neuzeit in Betrieb sehen. Die anschaulichen Schilderungen bei der Führung, sowie die Demonstrationen an den Maschinen durch Herbert Baumgärtner von der Arbeitsgemeinschaft machen einen Besuch zu einem Erlebnis, das lange im Gedächtnis bleibt. Was der Arbeitskreis mit dem Aufbau des Museums geleistet hat, ist sowohl für die Region als auch für das Verständnis der Wirkmaschinen – wie die Strickmaschinen genannt werden – unschätzbar.
Wir Rundkurbler wurden von den Arbeitskreismitgliedern und ihren Ehefrauen in der restaurierten „Kaffeestube“ aus dem vorletzten Jahrhundert – jedoch mit modernen Kücheneinrichtungen – maßlos verwöhnt, unsere Maschinen wurden im Erdgeschoss installiert, wo sie sowohl von der Presse als auch von interessierten Besucherinnen und Besuchern bestaunt wurden. Besonders beeindruckt hat die Besucherschaft, dass es den Strickerinnen und Strickern weniger an der Produktion von Socken, Stulpen, Mützen oder Schals lag, als vielmehr an der früheren Technik, die auch bei den heutigen Sockenmaschinen 1 zu 1 vorhanden ist. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die industriellen Rundstricker heutzutage elektronisch angesteuert werden und nicht mehr von Hand bekurbelt.

Dass ich überhaupt zu meinen beiden Maschinen kam – im Grunde sind es Apparate – habe ich Helga zu verdanken. Helga ist eine multipel kreative Persönlichkeit, deren Produkte immer eine umwerfende Ästhetik aufweisen. Außerdem hat sie sich in punkto Rundstrickapparate ein derart umfassendes Wissen angeeignet, dass man froh sein darf, wenn man nur einen Bruchteil davon selbst weiß. Hierzu gibt es einmal einen eigenen Blogbericht.

Bevor ich nach Albstadt-Tailfingen abbog, machte ich einen Abstecher zu Zwerger Opal in Hechingen, um mich mit Material für mein Sockenmaschinen-Projekt einzudecken, aufgrund des Großprojekts im Dezember hatte ich tatsächlich nur noch ein Knäuel Strumpfgarn. Ich war – abgemildert ausgedrückt – enttäuscht, denn von dem Werkverkauf, den ich in früheren Jahren besuchte, war nichts mehr zu bemerken. Seinerzeit bekam man tatsächlich so etwas wie „2. Wahl“ oder verschiedene Gebinde zu  reduzierten Preisen. Heutzutage ist die Auswahl der Garne überaus umfassend, die Preise unterscheiden sich nicht von dem der üblichen Ladenware. Es wurde mitgeteilt, dass nur am Sockenstricker-Treffen alle zwei Jahre das Garn um 15% reduziert würde.
Ich brauchte Material, und so nahm ich ca. 450g Sportwolle in Naturfarben mit, sowie 3 x 100g Stränge handgefärbt. Gleich vorab: das handgefärbte Garn war nicht zu beanstanden: weich, leicht zu stricken und zusammenzunähen. Ganz anders die naturfarbene Sportwolle, die neben 50% Wolle auch 25% Polyacryl und 25% Polypropylen enthielt. Ich würde sie aus verschiedenen Gründen nicht mehr verarbeiten wollen:

  • Trotz gleicher Partie schien eine Kone gelblicher.
  • Der Sockestrickapparat strickte das Garn trotz gleicher Einstellung unterschiedlich, das ergab verschieden große Hexagone, die sich im Gesamtbild nicht gut machten, die Gesamtfläche beult. Dabei gab es beim naturfarbenen Garn die Unterschiede: eine Partie der Patche ist genauso groß wie die farbigen, eine kleiner. Auch das Maschenbild ist unterschiedlich und ließ sich auch durch Maschinenwäsche nicht beseitigen.
  • Die hellen Flecken ließen sich schwer aneinander nähen, beim Matratzenstich durch die Zwischenräume der Maschen ließ sich das Garn kaum durchziehen, ganz im Gegenteil zum gefärbten Garn
  • Im Garn zeigten sich von Zeit zu Zeit schwarze Fasern, was man an der Kone nicht sah, das ist zwar seltsam, fällt aber im Strickstück nicht ins Gewicht. Bei Bekleidung hätte ich ein größeres Problem damit.

Bei den Spiegelpunkten ist von Patchen und Hexagonen die Rede, ich beabsichtigte mit der Aktion ein besonderes Projekt, von dessen Originalität ich schwer überzeugt war 😀  . Ich wollte eine doppelseitige Decke anfertigen, bei der aus je zwei aneinandergestrickten Fersen ein Sechseck entsteht. Die beiden Fersen werden am Anfang und am Schluss mit Kontrastgarn von der nächsten abgetrennt. Diese Sechsecke sollten in klassischer Manier im Matratzenstich zusammengefügt die Decke ergeben.

Mit dem Fersenstricken am Rundstricker hatte ich immer meine Probleme: Da habe ich den Rippenstrick gut bewältigt und bei der Ferse rappeln mir ein oder mehrere Maschen davon, damit ist die Socke wieder in einem Zustand, bei dem Aufribbeln und Neubeginn weniger Zeit brauchen, als den Fehler zu beheben. Mit dem Deckenprojekt erhoffte ich mir einige Übung, um diesen Fehler zukünftig zu vermeiden.

 

Bevor es zum Bildbericht kommt, hier bereits mein Fazit: alles in allem war es ein Projekt zum Gewinn vieler Erfahrungen, aber der Mühe nicht wert. Das Fersenstricken war noch die erquicklichste Übung. Die vielen aneinander gestrickten Fersen nahm ich mit nach Berlin und dachte, Hin- und Rückfahrt, sowie der dortige Aufenthalt würden längstens ausreichen, die einzelnen Fersen, sowie die Patche zusammen zu nähen. „Chaasch der’s dengke“, würde man hierzulande sagen, eine quasi Übersetzung für „weit gefehlt“. Das Ergebnis wird vorerst eines der Bilder ersetzen: dasjenige, das als Delikatesse für die Motten hergehalten hat. Übrigens wurde ausschließlich das Garn von Zitron, auch auf der sonnenbeschienenen Vorderseite angefressen. Auch die flächendeckend eingelegten Mottenpapiere haben die Insekten nicht abgehalten.

 

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Schließlich gelang es mir, fehlerfreie Fersenketten mit bis zu 15 Fersen zu stricken, jeweils mit Kontrastgarn abgetrennt, damit ich die Rundstrickmaschine nicht jedesmal neu anstricken musste, sondern hintereinander weg arbeiten konnte.
Gruselett
Bevor ich mit dem vorgesehenen Garn arbeitete, machte ich mit Wegwerfgarn ein paar Übfersen. Es dauerte eine Zeitlang, bis ich drei fehlerlose Fersen am Stück geschafft hatte
Das Kontrastgarn wird abgetrennt. Man kann hier die schönen verkürzten Maschen erkennen, die mir Heinz beigebracht hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

So werden die Sechsecke mit Maschenstich zusammen gefügt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

So sah der Stapel fertiger Sechsecke aus
Ein Blick auf das Zusammenfügen der Patche mit Matratzenstich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Man sieht einerseits das unregelmäßige Maschenbild des Garns der verschiedenen Konen, und auch die Beulen, durch unterschiedliche Größe verursacht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jetzt wird es erst einmal als mahnendes Beispiel für fehldimensionierte Projekte als Wandbild genutzt. Vielleicht profitiert dermaleinst ein Enkelkind von einer doppelten Fersendecke.

LanArta

2 Responses

    • Oh ja, das war eine der Ideen bei der Herstellung. Die andere war, dass ich am Rundstricker die Fersen lerne