Das 3420-Gramm-Projekt oder „Kein Last-Minute-Geschenk“

„Hauptsache mit viel Blau“, sagt der Sohn, wenn ich ihn frage, welche Farbe ein vorgeschlagenes Strickstück haben soll. Mein Geometrie-Herz schlägt für topologische Besonderheiten, und so beschäftigte ich mich eine Weile mit Parkettierungen. Parkettierungen, die auch mit dem Handstrickapparat zu bewerkstelligen sind, denn ich hatte Größeres vor. Dass es allerdings diese Ausmaße annehmen würde, war mir im Vorfeld auch nicht klar.
Es wurde eine Tagesdecke für des Sohnes Gästebett, das als Sofa genutzt wird, sowie ein Kissenüberzug mit Hotelverschluss, in den die Gäste-Bettwäschegarnitur gesteckt wird. Sowohl Tagesdecke aus auch Bezug sind wendbar, also beidseitig nutzbar, es gibt keine sichtbaren Nähte oder eine Rückseite mit vernähten Fäden.

Die Anregung bekam ich von Eva mit ihrer Hedy. Obwohl ich ebenfalls zwei antike, selbst restaurierte Sockenstrickapparate habe, sollten diese nicht zum Einsatz kommen, denn sie haben nur 84-er Zylinder, d.h., 84 Nadeln in der Runde. Daher sind sie für 2- oder 3-fädiges Sockengarn geeignet, aber 4-fädiges herkömmliches Sockengarn hätte zu große Teile ergeben.

 

Zunächst sichtete und wog ich das vorhandene Sockengarn ab: ca. 3100g, aber nicht genug blau für mein Vorhaben. 650g naturfarbenes Superwash-Garn mit geringfügig höherer Lauflänge färbte ich daher, und zwar auf zwei Arten. Ich beließ das Garn auf den Knäueln, und weichte diese zunächst in Essigwasser ein. Die eine Hälfte wurde in einen Topf geschichtet, die andere in eine Pfanne. Vielleicht weiß jemand, wie man das Teil genau nennt. Ich rührte die herkömmliche Simplicol-Farbe für das Färben im Eimer an und begoss die beiden Behältnisse, bis die Knäuel bedeckt waren.

 

 

 

 


Das eine Gefäß kam in den Backofen, das andere auf den Herd. Von Zeit zu Zeit wurden die Knäuel gewendet. Nach einer Stunde ließ ich die Knäuel in einem Sieb abkühlen und spülte sie danach kurz durch. Dann füllte ich die immer noch vollständigen Knäuel in Netze und gab sie in die Waschmaschine, wo sie einer 40-Grad-Wäsche unterzogen wurden und auf Volltouren geschleudert. Das Trocknen ging relativ schnell, und die Knäuel wurden mit dem Planetenwickler Strickapparate gerecht gewickelt und gleichzeitig paraffiniert, also mit Teelichtparaffin geschmeidig gemacht. Ein Apparat mag es nicht, wenn direkt vom Kaufknäuel gestrickt wird, der Faden soll leicht und ohne Widerstand über die Nadeln gleiten und nicht ruckeln. Sonst meldet der Strickschlitten Widerstand an.

 

 

Kissen mit Hotelverschluss

 

Nun wieder zur Parkettierung: mir schwebte eine Nichtperiodische Parkettierung durch zufällige Translation vor. Irgendwie kam ich wieder davon ab und wählte dann doch zwei ganz „normale“ Quadratparkettierung, von denen ich die einen in Schweizerkreuz-Form anordnete, die andere in Kachelkaro.
Die Kunst war im Grunde, das vorhandene Garn so anzuordnen, dass immer eine blaue Form mit einer bunten abwechselte, ich hatte doppelt so viele Blautöne wie Buntgarne. Ich zeichnete mit Karopapier auf, wo helle und dunkle Blautöne, sowie Bunttöne zum Einsatz kommen sollten, das war insbesondere am Kreuzmuster auch bitter nötig.

Beide Muster im Vergleich

 

Dann wurden mit dem Handstrickapparat Maschenproben gefertigt. Meine bald 40-jährige Brother mit Doppelbett hat Eigenheiten: das vordere Bett strickt lockerer als das Hauptbett. Das macht bei einem kleinen Stück nicht viel aus, hier aber wurden ja Schläuche von 220cm Länge gestrickt, so dass bereits eine kleine Abweichung große Folgen haben kann. Für die Apparatestrickerinnen: ich stellte am Hauptbett die Maschenweite 9.1 Punkt ein, am vorderen Bett 8.1 Punkt. Das Quadrat hatte eine Kantenlänge von ca. 12,5 –  13 cm

Es begann das Schläuche stricken: wenn alles gut ging, also nichts von der Maschine fiel, kein Faden riss, die richtige Farbe ausgewählt wurde, brauchte ich für einen Schlauch 80 Minuten. Soviel zum Thema: „geht mit der Maschine ja schnell, ist nichts Besonderes“. Elf Schläuche wurden es für die Wendedecke, sieben für den Kissenbezug.
Bei letzterem habe ich das vorhandene Garn erneut gesichtet und das Muster etwas abgewandelt, was aber bei der Gesamtkomposition nicht auffällt. Ich habe sogar alte Maschenproben und einzelne Probesocken aufgetrennt, um genügend vom bunten Garn zu haben.
Das Zusammennähen bleibt einem auch beim Apparatestricken nicht erspart: pro Streifen im Matratzenstich benötigte ich einen Abend, einschließlich Fäden vernähen.  Dazu kam noch eine Fehlerbehebung ab und an, manchmal hatte ich doch übersehen, dass mir eine Masche gefallen war, diese galt es dann hochzuhäkeln und entsprechend zu befestigen. Dann war an manchen Stellen das Garn nach dem Waschen gerissen. Da gab es wohl zwei Knäuel des gefärbten Garnes, die das Stricken noch ausgehalten hatten, aber beim Waschen gerissen waren. Ich tippe auf Mottenlarven-Fraß, der nur bei dieser Sorte auftrat. Vielleicht schon mitgekauft.

 

Selbstverständlich musste ich die ganze Arbeit nicht alleine machen. Yoda half bei allen Schritten entscheidend mit. Besonders das Wollewickeln war ihm ein großes Anliegen, und wie man im Titelbild sieht: auch die Endabnahme.

Mag mal jemand rasch ausrechnen, wie viele Garn-Enden angefallen sind? Pro Deckenstreifen 18 Kästchen, pro Kissenstreifen ebenfalls, hier ist die Kantenlänge nur 10cm.
Nun ist klar, dass man ein solches Projekt nicht erst zwei Wochen vor der Geschenkübergabe beginnen sollte. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen, die Stücke sehen von beiden Seiten gleich aus. Sie fühlen sich weich und schmiegsam an und die Decke ist ohne weiteres auch als Kuscheldecke nutzbar. Im Nachhinein wäre die nichtperiodische Variante vielleicht doch die spannendere gewesen, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Mittlerweile habe ich noch viele andere Ideen, wie ich diese Garne hätte in Schläuchen verarbeiten können, aber jetzt ist der Drops gelutscht.

Auffallend: obwohl mehr als doppelt soviel blau wie andere Farben verwendet wurden, treten die bunten Farben stärker hervor.

Die Kissengröße beträgt 70cm x 70cm, die Decke 220cm x 140cm.

Letztendlich habe ich fast 3,5 kg Knäuel-Sockengarn verbraucht und gerade mal noch 230g übrig, davon ein geschenktes Knäuel von Ulrike, das ich da nicht einfach reinverwursten wollte. Es ist eine große Freude, dass mein Sockengarn nun sehr übersichtlich ist, und ich mich darauf freuen darf, neues Garn nach Gusto zu kaufen. Keine Vorräte mehr, die wispern: du hast doch noch so viel…

 

 

 

 

Auf dem Sofa mit 2m langer Matratze. Das Dunkelblau ist dunkler und leicht meliert 

 

Das Projekt war auch eine gute Studie über die Qualität von Sockengarnen. Ich hatte noch Knäuel der ersten Generation von OPAL-Wolle, die Qualität „Mexico“ in drei Farben, die ich einmal gewonnen hatte. Diese war wesentlich besser und dicker, als jüngere Ausgaben des OPAL-Garns. Auch das Sockengarn von Lanartus und Rödel würde ich jederzeit wieder einsetzen.
Die schlechteste Beurteilung erzielte dieses Garn von Regia. Nach der Wäsche stachen die Quadrate regelrecht beulig von den anderen ab. Meine Empfehlung: das Garn sehr fest verstricken. Ein Garn, dass vom großen Süd-Discounter stammte, war zwar dünner als die anderen, behielt aber gut die Form. DROPS-Fabel ist passabel, keinerlei Beanstandungen.

Die 40-Grad-Wäsche befreite die Decke von Paraffin und Wollfusseln. Erstaunlich auch, wie oft ich die Nadelbetten und Schlitten zwischendrin absaugen musste, Staub, Fusseln und Paraffin lagerte sich dick ab. Bevor neue Projekte auf dem Apparat laufen, muss dieser erst grundgereinigt werden.

Am Fluss 50m entfernt
So sehen 3420 g Sockenwolle aus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Falls dem Beschenkten die Farben zu wirr sind, kann man ohne weiteres überfärben.

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LanArta

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